Selbstvernetzung

Beitrag zum Schreibwettbewerb "Total digital" von Verena (23)

Das Netz formt immer mehr meine Persönlichkeit.
Ja, es stimmt.
Morgens nach dem Frühstück wartet schon digitale Post auf mich, auf die ich mich freue, die mir neue Chancen gibt und den Tag komplett bestimmt. Zwei Drittel etwa kann gelöscht werden, sind nur Benachrichtigungen aus Newslettern oder Netzwerken.
Doch ein Drittel lässt das Herz schneller klopfen, es sind Zusagen, Absagen und Chancen.
Mir steht die Tür zur Welt ganz weit offen, nur durch eine kurze Mail. Heute kann ich alle Menschen anschreiben und unverfangen Fragen stellen.
Die Mailkultur bricht Wände im Denken. Ich kann alles einfach versuchen, denn eine digitale Enttäuschung tut weniger weh als eine reale, von Angesicht zu Angesicht.
So kann ich in Kontakt kommen, mit kreativen Köpfen hinter Magazinen und kleinen Ideenschmieden. Ich kann mich beinahe neutral vorstellen. Mein Portfolio schicke ich sofort mit. Bilder sagen mehr als tausend Worte, ich zeige sie dir gleich.
Eine Sekunde später ein Auftrag oder nicht.
Es gibt keine Regeln in der Mailkultur.
Wunderwelten können entstehen, kreative Entfaltung at it's best.
Das Netz macht aus mir eine kreative Vernetzerin.

Das ist die schöne, grenzenlose Seite davon.

Da ist aber auch noch die andere.
Zu welcher meiner Zeit ist eine digitale Post angemessen?
Bleibe ich im Hinterkopf oder verlischt mein Anliegen bald? (Burn After Reading?)
Angst hab ich davor, abhängig vom Netz zu werden, von meinen Mails.
Zuviele Projekte, Möglichkeiten und vor allem: Reizüberflutung.
Mein Kopf hängt ständig woanders.
Ich drücke mir mehr und mehr Arbeit und Wollen auf.
Und genießen?
Beim Mails lesen bist du nicht im jetzt, sondern immer einen Schritt voraus.

Das ist die grenzenlose Seite davon.

PART II

Ich habe die Chance mich selbst zu verbessern.
Springe von Kosmetikseiten zu Arztseiten zu digitalen Kaufhäusern, jeder weiß es besser und hat noch einen Tick tollere Tricks.
Ich soll konsumieren, das ist das erste Gebot der Internetkultur. Nur durch Konsum wirst du schön, belesen und gut.
Und das Netz liefert mir alles, was ich brauche, in einem Klick.
Zweites Gebot: du sollst wissen.
Wissen aus der Dose, geteilt auf jedem Kanal aber doch nicht nachgedacht.
Wissen macht cool! Schenkt dir aber keine Erfahrung.
Kannst du dein Leben googeln?

Das ist das sich dir aufdrängende Netz.

Autorin / Autor: Verena