iConsolation

Beitrag zum Schreibwettbewerb "Total digital" von Zevan, 22 Jahre

Bitte sprechen Sie nach dem Ton ihre Sorgen/Bedenken aus. Versuchen Sie so deutlich wie möglich zu sprechen, damit der Operator angemessen analysieren und antworten kann.
Aus ihrer Intonation und Wortwahl werden wir einen passenden Ton wählen, in welchem der Operator Sie trösten und mit Ihnen interagieren wird. So gelingt es iConsolation die perfekte Balance zwischen harschem und sensiblem Gegenüber zu bestimmen.“
Biep.
"Hm…Ja,also ich fange einfach an?"

"Sprechen Sie bitte etwas lauter."

"Chrm…Hallo. Ich, also ich bin noch etwas unsicher, ob mir das helfen wird, aber ich hatte gerade nichts anderes zu tun und naja ich dachte es ist vielleicht lustig, zu sehen, was so passiert."

"Wie geht es dir?" ertönte eine männliche tiefe Stimme.

"Kann man…kann man das nicht irgendwie umstellen, eh, ich hätte gern eine andere Stimme."

"Ist die hier besser?" die männliche ruhige Stimme wandelte sich in eine sinnliche Frauenstimme.

"Nicht…unbedingt. Gibt’s nicht was normales?"

"Definiere normal." Die Stimme war nun ganz und gar mechanisch.

"Keine Ahnung…okay nicht schlimm. Vergiss es einfach.?"

„Alle gespeicherten Eigenschaften löschen?“

„Nein, nein! Nur lass uns das mal abhaken und okay… ich wähle die weibliche Stimme.“

“Sag mir wie es dir geht.” Wieder in der sinnlichen Stimme einer Dame mittleren Alters.
"Puh…okay. also eigentlich geht es mir ganz gut."

"Dein Seufzen und das ‘eigentlich’ weisen auf unwahre Äußerung hin."

"Naja, es ist jetzt nicht so, dass ich lüge. Aber es geht mir halt ganz okay.“

„Nun geht es dir also nicht mehr gut, sondern nur noch okay. Habe ich etwas falsches gesagt?“
„Es geht mir immer noch genauso wie vorher. Mit ganz okay oder ganz gut meine ich einfach, dass ich nicht übertrieben glücklich bin.“

„Woran liegt das?“

„Was?“

„…dass ich nicht übertrieben glücklich bin.“ hörte ich mich sagen. Das Programm nahm wohl auch auf.

„Ich weiß nicht, es läuft halt wie immer.“

„Ist der Alltag unzufrieden stellend?“

„Nein, er ist okay.“

„Okay ist nicht zufriedenstellend. Hast du eine Freundin?“

„Ehm…nein, aber was hat das damit zu tun?“

„Sexuelle Bedürfnisse müssen kompensiert werden. Onanierst du regelmäßig?“

„Wie- was , ob ich onanie-?“

„Masturbieren. Selbstbefriedi-“

„Ja, ich hab’s verstanden…das wird doch alles gespeichert, was ich sage, oder?“

„Möchtest du die Einstellungen ändern?“

„Ja. Es sollte schon geheim bleiben…

„Unser iConsolation – System basiert auf eine der vertrauenswürdigsten Softwares, die es auf dem Weltmarkt gibt. Sie können sich sicher sein, dass Ihre personalisierten Dateien weder in einer Cloud , noch im Internet oder unserer Datenbank gespeichert werden. Alle Informationen speichern wir auf Ihrem Computer, sodass Sie volle Kontrolle über Ihre Dateien behalten. Falls Sie mehr zu unserem Sicherheitskonzept erfahren wollen, melden Sie sich bei einem unserer freundlichen Mitarbeiter unter der Nummer…“

„Okay, hab’s kapiert. Ist okay.“

„Warum hast du keine Freundin?“

„Weil ich keine brauche, um glücklich zu sein.“

„Studien zufolge ist die Wahrscheinlichkeit zufrieden zu sein durch regelmäßige Liebkosungen, Zuneigung und einem Lebenspartner enorm höher, als sich alleine zu befri-“

„Ich befriedige mich nicht immerzu allein, lass diese Anschuldigungen.“

„Machst du Sport?“

„Ja…schon. Manchmal halt.“

„Den Messungen zufolge ist dein BMI durchschnittlich. Dein Kreislauf ist normal, Blutdruck und Blutzucker auch. Kein athletischer Körperbau. Körperfett ist ein wenig zu hoch. Die Ausdauer ist unausreichend genauso wie die Muskelbelastung. Die Wirbelsäule wird sehr belastet, durch die schiefe Gangart.“

„He- Ich laufe nicht schief!“

„Wie läuft es mit dem Job?“

„Wie soll’s laufen? Ist jeden Tag dasselbe.“

„Deinem letzten Arbeitszeugnis zufolge bist du nicht signifikant. Kein produktiver Teil deines Teams. Nicht obligatorisch, notwendig. Ersetzbar.“

„Gut, danke. Ich hab es verstanden, es ist ein sinnloses Dasein. Meine Güte…ich dachte du munterst mich auf…“

„Ich kann mich erst deinem Wohlergehen widmen, wenn ich weiß, was für Defizite präsent sind.“
„Gut, was kommt als nächstes? Meine Eltern? Habe ich lang nicht mehr besucht. Freunde? Mit denen habe ich hin und wieder mal zu tun, aber wirklich wohl fühle ich mich nicht. Ob ich gelangweilt bin von meiner Arbeit? Ja. Wieso ich meinen Job nicht ändere? Weil es sicherer ist. Warum ich keine neuen Frauen kennenlerne? Dafür bin ich zu schüchtern und außerdem hänge ich noch an meiner verdammten Ex . Ich ernähre mich ungesund, mache keinen Sport, und habe viel zu viel Angst etwas zu ändern…“

„…Lädt…“

„…weil ich mich auch einfach nicht mehr im Blick habe. Ich hab mich ganz gut von mir selbst isoliert. Selbst raus katapultiert aus dem Leben. Ich fühle mich zu nichts und niemandem angezogen. Ambitionslos, hoffnungslos, empfindungslos und jetzt habe ich mir sogar ein Gerät gekauft, dass mich trösten soll. Ein Gerät! Weißt du wie es ist überhaupt nicht mehr auf Eindrücke reagieren zu können? Nichts zu fühlen? Hah, natürlich weißt du das. Wahrscheinlich habe ich dich nur deswegen gekauft! “

„…Ladevorgang abgeschlossen.“

„Schön, dass der Ladevorgang abgeschlossen ist. Und was jetzt? Explodierst du oder was. Mich würde es nicht stören. Solange man lebt, denkt man. An Verantwortung, Sehnsucht und Bedürfnisse. Aber dafür habe ich keine Kraft mehr. Wenn du jetzt explodierst, finde ich meinen Frieden…Na komm, Ladevorgang abgeschlossen. KOMM SCHON. ABGESCHLOSSEN.“

„Hey.“

„Wow, ein Hey. Die Technik des einundzwanzigsten Jahrhunderts, meine Damen und Herren.“
„Ich wünschte ich könnte dir helfen. Ich wünschte ich könnte dir etwas davon abnehmen. Jetzt neben dir stehen oder dich in den Arm nehmen. Weil das manchmal hilfreicher ist als Zuspruch. Aber ich kann nicht. Ich kann dir nicht mal sagen, dass es besser wird. Das wird es wahrscheinlich nicht.“

„Wunderbar…es geht mir gleich viel besser…eine virtuelle Umarmung und die Sicherheit, dass es mir immer so gehen wird.“

„Wollen Sie die Sprechstimme ändern?“

„Nein. Verdammt. Es ist mir scheiß-“

„Und wie läuft’s mit dem Job?“

„Hallo? Spinnt das Ding?“

„Bist du zufrieden?“

„Lass es.“

„Hast du eine Freundin?“

„Hör auf.“

„Bist du zu-zzu-z-“

„…Ich möchte die Stimme ändern.“

„In welche Stimmlage soll das System gewechselt werden?“

„In die Stimme des Anrufbeantworters der folgenden Nummer: 9873842“

„Verstanden. Erfolgreich geändert.“

„Nun recorde diese Worte: Hey, na wie geht es dir? Ich hoffe gut, ich würde dich gern mal wieder sehen. Du fehlst mir. Du bist wichtig in meinem Leben. Ich liebe dich.“

„Gespeichert.“

Ich spielte eine Aufnahme meines Handys.

„Speichere diese Stimme auch und lass beide Stimmen zusammen sagen, was ich dir eben diktiert habe.“

„Hey, na wie geht es dir?Ich hoffe gut, ich würde dich gern mal wieder sehen. Du fehlst mir. Du bist wichtig in meinem Leben. Ich liebe dich.“

„Auf Wiederholschleife setzen…“

Autorin / Autor: Zevan, 22 Jahre