Wenn man beginnt zu träumen ...

Man würde staunen, wüsste man, wie viele Tonnen Papier jährlich auf den Tischen der Lektoren landen...

Augen

Man würde staunen, wüsste man, wie viele Tonnen Papier jährlich auf den Tischen der Lektoren landen, wie viele Menschen ihre Arbeiten einsenden, in der Hoffnung, dass sie veröffentlicht werden. Was bewegt sie dazu, sich jedes Mal zu bemühen, geeignete Verlage zu suchen, Exposés zu verfassen, am Manuskript zu feilen, und ihre Geschichten einzusenden? Ich weiß nicht, wie viele von euch, die die Kolumne mitverfolgen, selber schreiben und die Absicht haben, ihre Arbeiten zu veröffentlichen. Aber wenn es unter euch Hobby-Autoren gibt, die ihre Geschichten nicht nur im Internet, sondern auch als Buch veröffentlicht sehen möchten, so interessiert es mich brennend: Wieso möchtet ihr, dass eure Story publiziert wird? Was ist die Antriebskraft, die hinter diesem Wunsch steckt?

Mein Romanprojekt begann ich, weil ich eine verbesserte, erweiterte Version des Originals erschaffen wollte. Wenn ich das Ergebnis betrachte, würde ich meinen, dass mir ein besseres Original gelungen ist. Ich fing an, meine Kolumne zu schreiben, weil ich mich mit der Entstehung der Geschichte, der Analyse und Formung von Charakteren, mit Problemen, die wohl jeder Autor kennt, und vielen anderen Themen öffentlich auseinander setzen wollte – aber in erster Linie, um herauszufinden, wie Andere darüber denken. Andernfalls hätte ich die Kolumne auch im stillen Kämmerchen geschrieben.

Als mein Roman fertig war, war ich mir gar nicht mehr so sicher, ob er veröffentlicht werden soll. Nicht, weil ich an seiner Qualität zweifelte, sondern weil ich plötzlich nicht mehr wusste, warum ich eine Veröffentlichung anstreben wollte. Meine Geschichte ist Urban Fantasy made in Germany. Jugendliche und junge Erwachsene sind Träger der Verantwortung bzw. Träger der Handlung. Mein Schreibstil ist nicht hölzern, aber schlicht. Diese Story – wie so viele andere auch - hat es selbstverständlich schon mal so gegeben. Mit anderen Charakteren, mit einem anderen Verlauf.

Ich bleibe realistisch: Niemand wird etwas verlieren, wenn meine Geschichte nicht in Buchform erscheint. Ich habe keine Garantie dafür, dass sie auch andere Menschen interessiert. Vielleicht wird sich mein Buch kaum verkaufen, sollte es erscheinen. Schließlich ist niemand gezwungen, ein bestimmtes Buch zu lesen, wenn es ihm nicht gefällt. Wer allerdings Interesse hat, wird sich den Roman kaufen oder ausleihen.

Der Alice-Cullen-Faktor

Natürlich trägt die Werbung mit dazu bei, dass der Unterhaltungsroman eines nicht prominenten Schriftstellers sich besonders gut verkauft. Es gibt Menschen, die irgendwann beispielsweise auf einen Film oder auf einen Roman aufmerksam und neugierig werden, wenn sie nur oft genug von ihm hören. Schließlich kommt es so weit, dass auch sie erfahren wollen, warum so viele Zuschauer oder Leser derart begeistert von einer Arbeit sind. Auf diese Weise entsteht in der Literatur der Bestseller oder - Filme betreffend - der Blockbuster.

In der Literatur hängt der Erfolg der Folgebände von sehr vielen Faktoren ab. Entscheidend ist, dass der Autor es geschafft haben sollte, den Leser für Band 1 zu begeistern, weshalb der Leser natürlich darauf brennt, Band 2 zu erwerben. Wie erreicht man, dass der Leser am Ball bleibt? - Selbstverständlich muss die Geschichte in sich stimmig, logisch und spannend sein. Und natürlich tragen die Charaktere einen außerordentlichen Teil dazu bei, dass der Käufer zu einem bestimmten Buch im Regal greift.

Das Internetportal der Jugendzeitschrift Bravo ließ Jugendliche im September 2009 abstimmen, welchen Charakter sie aus der Vampir-Romanze Twilight am meisten bewundern. Ashley Greene (Alice Cullen) ging als Siegerin der Filmdarstellerinnen hervor und übertrumpfte sogar Kristen Stewart alias Bella Swan. Die weibliche Hauptfigur der Twilight-Saga landete auf Platz 2. Was jedoch den fiktiven Literaturcharakter Alice Cullen angeht, so genießt Alice ebenso wie die Filmfigur große Popularität, was diverse Forenthemen bestätigen. Auch im FanFiktion-Forum taucht dieser Name recht häufig auf, wenn die User danach gefragt werden, welche weibliche Romanfigur aus „Bis(s)...“ ihnen am meisten gefällt.

In erster Linie verdanken Stephenie Meyers Romane ihren Erfolg natürlich der fast unmöglichen, irrationalen Liebesgeschichte. Aber auch Alice Cullen, die Stiefschwester des Romanhelden Edward Cullen, ist einer der entscheidenden und wichtigsten Faktoren. Wieso zählt Alice zu den beliebtesten Charakteren dieser Romane? Ganz einfach: Sie spricht die Sehnsüchte der Leserinnen an, die in vielen von ihnen schlummern.

Alice Cullen ist graziös, zierlich und agil, ein wenig verrückt und liebenswürdig. Als weiblicher Vampir ist sie ein Übermensch: Trotz ihrer sanften Seite ist sie eine exzellente, starke Kriegerin mit der Gabe, in die Zukunft zu sehen. Da sie perfekt und nahezu unbesiegbar ist, träumen viele Leserinnen sicherlich davon, selbst Alice Cullen zu sein.

Meiner Meinung nach jedoch erfreut sich die Literaturfigur Alice Cullen größtenteils deswegen solcher Beliebtheit, weil sie quasi die Rolle der großen Schwester spielt. Somit dient Alice als Projektionsfläche für die Sehnsüchte vieler Leserinnen im Jugendalter. Denn viele von ihnen wünschen sich eine große Schwester, die sich so sehr um sie bemüht, wie es Alice – die für Bella quasi eine große Schwester ist – im Falle von Bella macht. Alice organisiert bedeutende Feste und kümmert sich um Bellas äußere Erscheinung. Sie fungiert als Beraterin, als Planerin und erfüllt im Roman für Bella gewissermaßen eine Entlastungsfunktion. Alice hat alles im Griff. Auf sie kann sich die Romanheldin verlassen.

Vor allem jedoch tritt Alice regelmäßig als Bellas Beschützerin und folglich als der weibliche Pendant zu Edward auf, der für gewöhnlich allein über Bella wacht. An Alice' Seite kann Bella fast nichts geschehen, weil Alice niemals schlafen, niemals essen muss. In Notsituationen kann sie sich voll und ganz auf ihre Aufgabe als Wächterin konzentrieren. Die literarische Figur Alice Cullen vermittelt der Leserin das Gefühl absoluter Sicherheit und Geborgenheit. Auf diese Weise schafft sie es erfolgreich, die Leserinnen (und vielleicht auch den ein oder anderen Leser) in die Geschichte einzubinden.

Warum ich meinen Roman veröffentlichen möchte

Zahllose Menschen wollen Spuren hinterlassen. Die Einen versuchen sich beispielsweise als Sänger, die Anderen streben eine Karriere als Schauspieler an. Wiederum Andere schreiben und hoffen, eines Tages das eigene Buch in den Händen halten zu können.

Ich persönlich sehne mich nach einer Veröffentlichung, weil ich primär andere Menschen unterhalten möchte. Ich wünsche mir, dass der Leser, die Leserin sich nach einem erfolglosen und anstrengenden Tag mit dem Buch auf das Zimmer zurückzieht und in eine andere Welt eintaucht, um Sorgen und Schwierigkeiten der Realität für eine Weile zu entfliehen.

Ich möchte aber auch, dass mein Buch bei amazon und libri erhältlich ist, weil nur auf diese Weise ein besonderer Wunsch in Erfüllung geht; nämlich der Wunsch, Lina, Rick und anderen Figuren Leben einzuhauchen. In meinem Word-Dokument atmen, handeln und leben die Charaktere. Sie erleben Abenteuer, stellen sich Gefahren, beschützen Andere, haben Schwierigkeiten und suchen nach Lösungen. Lina und das dreiköpfige Team, und Rick, haben eine eigene Persönlichkeit. Sie sind nicht durch und durch „gut“. Wie alle normalen Menschen haben auch sie Fehler bzw. notwendige Charakterschwächen; sie sind manchmal egoistisch, eifersüchtig und neidisch.

Die Charaktere, besonders Linas Freunde vermitteln das Gefühl der Vertrautheit. Wenn man die Charaktere im Alltag erlebt, fühlt man sich als Leser / Leserin wie „zu Hause“. Sie evozieren ein heimeliges Gefühl, das ich gerne mit dem Leser teilen möchte. Bestimmte Charaktere meines Romans sind - ebenso wie Alice Cullen für viele Leserinnen - wie Familienmitglieder, wie beste Freunde.

Als ich vor Jahren angefangen hatte zu schreiben, waren Lina und ihre Freunde in meiner Fantasie so plastisch, dass sie sozusagen nicht nur Linas, sondern auch meine Freunde wurden. Aber erst, wenn andere Menschen meinen Roman kaufen, wenn sie ihn lesen, lernen sie die Eigenheiten, die Besonderheiten der Figuren kennen. Während sie also in die Welt eintauchen, der Rick und Lina angehören, werden sie mit den Charakteren und wichtigen Nebencharakteren vertraut gemacht. Ob ihnen die Figuren der Geschichte gefallen oder nicht, zählt weniger, als die Tatsache, dass sie sich mit ihnen auseinander gesetzt haben. Und eben weil die potentiellen Leser und Leserinnen meine Charaktere in der Fiktion kennen lernen, werden die Figuren des Romans lebendiger und – realer.

Denn schließlich leben die Romancharaktere erst, wenn Menschen von ihrer Existenz wissen.

Autorin / Autor: Dasha - Stand: 18. März 2010