Eine Welt aus Glas

Beitrag zum Schreibwettbewerb "Total digital" von Melanie, 16 Jahre

Bisher hatte ich keine Ahnung was es bedeutete, im Internet alles manipulieren zu können, doch mit nur einer bestätigten Freundschaftsanfrage hatte sich dies geändert und mein Leben hatte sich um 360° gewendet.
Mein Name ist Em. Emely und ich bin 16 Jahre alt.
Vor einem halben Jahr geschah etwas mit dem ich nie gerechnet hätte.
Mittlerweile ist doch jeder auf Facebook, Instagram, Twitter, hat Whats App oder sonst etwas und es ist noch nichts passiert. Warum musste es dann ausgerechnet mich treffen? Was hatte ich, was andere nicht hatten?
Es waren Ferien und wie jeden Tag, der so schön war wie dieser, lag ich in meiner Liege im Garten und ließ mich in der Sonne brutzeln. Mein Handy in der einen und ein Vanilleeis in der anderen Hand. Facebook. Wie jedes Mal wenn mir langweilig war schaute ich auf Facebook ob es etwas Neues gab. Tatsächlich hatte mir jemand eine Freundschaftsanfrage geschickt.
Markus. Welcher Markus? Ich kannte keinen Markus. Nach einigen Minuten des Überlegens nahm ich seine Anfrage doch an, da er auf seinen Profilbildern relativ nett wirkte und wir auch einige gemeinsame Freunde hatten.
3 Wochen. Es vergingen 3 ganze Wochen in denen wir jeden Tag miteinander chatteten. Er war mein bester Freund geworden und da Markus nicht weit entfernt von mir wohnte, beschlossen wir uns zu treffen.
Die ersten Sonnenstrahlen dieses wundervollen Morgens kitzelten mich wach und ich blinzelte verschlafen auf meinen Wecker. Langsam lösten sich die verschwommenen und doppelt geschriebenen Ziffern auf und eine Uhrzeit kam zum Vorschein. Es war bereits 10 Uhr. Schlaftrunken quälte ich mich aus meinem Bett und riss mein Schlafzimmerfenster auf. Der liebliche Duft von Blumen stieg in meine Nase und die warme Spätvormittagsluft umhüllte mein Gesicht.
Aus meinem schwarzen Ebenholzkleiderschrank kramte ich eine Hotpan und ein dunkelrotes ärmelloses Top hervor, bevor ich damit im Badezimmer verschwand und unter die Dusche sprang.
Das heiße Wasser prasselte auf meine kühle Haut herab und ließ mich alles für einen Moment vergessen. Ich dachte an rein gar nichts. Nur daran, dass ich heute endlich Markus persönlich kennenlernen würde. Der Junge der mir mein Herz offensichtlich gestohlen hatte.
Schweren Herzens stellte ich das Wasser wieder ab und griff mir ein Handtuch von einem der Halter, die neben der Dusche angebracht waren.
Nachdem ich mich schnell abgetrocknet und meine Haut mit Körperlotion versorgt hatte, zog ich mir meine Sachen an und versuchte mein Haar zu bändigen. Ich hatte Locken. Viele dunkelrote Locken. Schon fast schwarz. Nicht gefärbt. Natur. Kein Lockenstab. Alles echt. Keine Tricks.
Zuerst föhnen, dann bürsten. Nach 2 Stunden föhnen waren meine Haare immer noch Handtuchfeucht, weshalb ich beschloss erst etwas zu essen und dann weiterzumachen. Noch schnell mit der Bürste darüber gegangen damit sie nicht total zu Berge standen und dann ab in die Küche.
Schon auf der Treppe nahm ich den verlockenden Duft meines Lieblingsessens war. Nudeln. Einfach nur Nudeln. So richtig schön klebrige Nudeln. Es gab nichts Besseres auf dieser Welt und schon gar nicht nach einem anstrengenden Tag.
Nachdem ich meine Nuddeln verzehrt und etwas mit meiner Mutter geredet hatte bevor sie zur Arbeit aufgebrochen war, waren meine Haare schon trocken und ich brauchte sie nur noch ein wenig zu bürsten.
Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet mir, dass es Zeit wurde zu fahren. Ich nahm also meine Handtasche in die ich zuvor noch einen kleinen Spiegel, eine Bürste, einen Labello, Taschentücher und meine Schlüssel geworfen hatte und mein Handy, welches ich mir in meine Hosentasche steckte. Schnell griff ich noch nach meiner dunkelbraunen Lederjacke und verließ gut gelaunt das Haus um zu meinem Bus zu eilen.
An der Haltestelle angelangt musste ich gar nicht all zulange warten, da der Bus zum Glück pünktlich ankam und keine Zeit verschwendet hatte auf weitere Fahrgäste zu warten. So fuhr ich also in die Stadt um Markus endlich in einem kleinen Café zu treffen.
Pünktlich trat ich zur Tür herein, die ins Innere des Cafés führte. Es dauerte nicht allzu lange bis ich Markus an einem Ecktisch sitzen sah. Wir hatten uns einmal Fotos geschickt und so gewöhnlich sah Markus jetzt nicht gerade aus, so dass man ihn hätte übersehen können. Laut seinem Facebook Profil war er gerade einmal ein Jahr älter als ich. Sein Haar war braun und leuchtete in der Sonne in einem faszinierendem Rot. Auf den Fotos, die er mir geschickt hatte, konnte man deutlich erkennen, dass er gut gebaut und sehr muskulös war. Vermutlich ging er des Öfteren ins Fitnessstudio um seinen Körper so zu erhalten. Durch das Chatten mit ihm hatte ich erfahren, dass er deutlich größer als ich war und seine Eltern geschieden waren. Wir teilten sogar dieselben Hobbys. Er las genauso gern wie ich. Fantasy. Engel. Vampire. Dämonen. Übernatürliches, aber nichts was zu weit hergeholt schien. Wir hatten denselben Musikgeschmack und auch dasselbe Lieblingseis. Erdbeere.
Ich schlenderte zu dem Ecktisch als ich erkannte, dass der Junge der dort saß gar kein Junge war. Es war ein Mann. Mitte 30 bis Anfang 40. Geschockt blieb ich stehen und meine Kinnlade klappte mir herunter. Verdutzt zog ich mein Handy aus meiner Hosentasche, ging aus dem Café und schrieb Markus auf Whats app ob er schon da sei. Prompt erhielt ich auch eine Antwort. In der Nachricht stand, er wäre schon da und säße bei einem Ecktisch. Nach kurzem Überlegen kam ich zu dem Entschluss nach Hause zu fahren, da mir das alles nicht ganz koscher vorkam.
Als ich jedoch an dem Fenster vorbeikam, an welchem der Tisch bei dem er saß stand, entdeckte mich Markus, falls das überhaupt sein richtiger Name war, und stürmte aus dem Café. Von meiner Angst gepackt, rannte ich los. Meine Füße trugen mich über die Straße, bis ich nicht mehr konnte und einen Blick nach hinten warf um herauszufinden ob er noch hinter mir war. Er war weg. Hatte ich ihn abgehängt? Hatte ich es geschafft? War ich ihn endlich los? Langsam setzte ich wieder einen Fuß vor den anderen, immer noch nach Hinten starrend, als jemand meine Hand ergriff und mich in eine Gasse zerrte.
Niemand hörte meine Schreie. Mein Flehen. Sein Lachen. Sein hinterhältiges Lachen, welches sich in mein Gedächtnis gebrannt hatte. Niemand war da, der mir hätte helfen können. Niemand. Ich war alleine. Ganz alleine. Auf mich allein gestellt. Nur er. Nie werde ich ihn vergessen. Er hatte alles zerstört.
Am darauf folgenden Tag wurde ich von einer Straßengang in einer Mulltonne gefunden. Er hatte mich einfach so entsorgt. Voller Angst, dass man glauben könnte, einer von ihnen hätte mich ermordet, machten 3 von ihnen einen Abgang. Nur einer war bereit mir zu helfen und kontaktierte mit seinem Handy die Rettung.
Rippenprellung. Lungenquetschung. Gehirnerschütterung. Einige innere Blutungen. Vergewaltigung. Trauma. Die Folgen waren nicht ganz ohne. 3 Monate Koma. Therapie. Erst nach einem halben Jahr traute ich mich wieder das Haus zu verlassen. Meinen Facebookaccount hatte ich gelöscht, Whats App deinstalliert und mich von Instagram und Twitter abgemeldet. Mittlerweile traute ich mich sogar wieder in das Café, in dem dies alles passierte. In dem ich ihm zum ersten Mal Angesicht zu Angesicht begegnet war.
Es war ein wunderschöner Montagnachmittag und ich war in der Stadt mit einer Freundin zum Shoppen verabredet. Gemütlich schlenderten wir mit einigen Einkaufstüten die Straße hinauf als wir wieder bei jenem Café vorbeikamen. Doch diesmal war etwas anders. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken und ich fühlte mich beobachtet. Kurz sah ich mich um bevor ich durch das Fenster ihn erkannte. Mit seinem braun-rot schimmernden Haar saß er wieder bei dem gleichen Tisch wie damals. Er hatte dieselben Klamotten an wie zu jenem Tag. Mit seinem Blick nagelte er mich fest und ließ mich wieder sein abtöniges Lächeln sehen.

Autorin / Autor: Melanie, 16 Jahre