Bunte Fassaden

Beitrag zum Schreibwettbewerb "Total digital" von Büsra, 17 Jahre

Wir sind wie Künstler wenn es darum geht unsere Macken zu vertuschieren, sie unter vielen Farben zu verdecken. Farben, die unseren Alltag etwas bunter erscheinen lassen und das Graue in uns verhindern herauszugehen. Pessimismus, geringes Selbstbewusstsein, Depressionen… das sind Eigenschaften, die von der Gesellschaft nicht akzeptiert werden und zu unterdrücken erwartet werden. Auch das Äußerliche muss wegtuschiert werden. Hilfreich dabei ist immer ein Programm, das Leute aus dem Showbiz nur allzu gut kennen. "Übermenschlich schön", so heißt das Motto was uns alle immer mehr in diesen Teufelskreislauf reingeritten hat.
Wir spüren den Wunsch uns zu präsentieren. Das war schon immer so und nur wenige Leute bisher konnten diesem Drang widerstehen. Diese Leute hatten das Grau nicht unterdrückt, sie hatten es bekämpft. Deswegen brauchten sie keine bunten Worte.
Aber wir brauchen Leute, die es uns wenigstens für einen Moment glaubhaft machen können, dass wir perfekt genug sind. Wir spüren auch das Verlangen unser Glück von Faktoren im Leben abhängig zu machen. Oft von Komplimenten der Umwelt. Nur wenn andere uns als besonders betrachten, fühlen wir uns auch besonders genug. Betonung auf fühlen. Gefühle sind nämlich dafür bekannt, dass sie ziemlich häufig schneller verschwinden als erwartet.
Und dann kommt vielleicht dieser Tag, wo uns etwas eindämmert. Die Realität, die man sich vor paar Jahren für diesen Tag ausgemalt hat, unterscheidet sich so viel von dieser. Mehr als Meilen liegen dazwischen, die so leicht nicht zu überqueren sind. Plötzlich wird Realität etwas wovor man flüchtet und Fantasie der neue Zufluchtsort. Für einen Moment möchte man die Person werden, die man schon immer sein wollte. Auch wenn es nicht im echten passieren sollte. Der Moment ist es worauf es anzukommt.
Für einen Moment sich besonders fühlen, sich für perfekt genug betrachten. Das ist wohl die Konsequenz, die man daraus ziehen muss, wenn man für den Moment lebt. Nichts hält länger an als der Moment.
Auf einmal fällt es schwer sich von anderen mit den Augen betasten zu lassen. Man denkt, das Grau könnte in Erscheinung treten. Man fühlt sich nackt, entblößt. Als könnte diese Person uns durchschauen. Und das wollen wir nicht. Wir wollen die bunte Fassade noch aufrechterhalten. Wenn sie bricht, dann wird die Wahrheit so greifbar nahe und das wollen wir auch nicht, denn erst neu haben wir gelernt diese zu verdecken, zu unterdrücken. Deswegen entfernen wir uns auch von den Menschen und finden die, die weit genug von uns weg stehen, sodass wir stattdessen mit ihnen es durchgehen. Wir erzählen ihnen von dem Grau, der Fassade. Sie verstehen. Sie verstehen uns auch aber kennen uns nicht. Das gibt ein gutes Sicherheitsgefühl. Obwohl es anders herum geschehen sollte. Wie können wir so unerschrocken einem Fremdem so einfach unser Herz ausschütten? Die Anonymität spielt eine Nebenrolle.
Und da… die Linie verblasst. Nun können wir sie nicht mehr sehen, nicht mehr erkennen. Nun wissen wir nicht mehr in welcher Welt wir uns befinden. Die größte Gefahr.

Autorin / Autor: Büsra, 17 Jahre