Die Oberfläche und das darunter

Beitrag zum Schreibwettbewerb "Total digital" von Citty Cheshire

„I’ll be there in a heartbeat!“ – Simple Plan besingen eigentlich eine Liebe im „Summer Paradise“, dennoch erscheint mir kaum eine Textzeile treffender, wenn es um ein Leben wie diesem geht, ganz allgemein betrachtet. Und mit „Leben wie diesem“ meine ich das Digital Life. iPhone, Facebook, Internet. Wer kein Smartphone besitzt, ist ein Ausgestoßener. Praktisch sozialtot. Kein Facebook? Schräge Blicke von allen Seiten und wer noch nicht mal Internetzugang hat, ist im Prinzip ein Höhlenmensch. Wie das die Hackordnung in der Klasse beeinflusst lässt sich ganz einfach beschreiben.
Da hätten wir auf der einen Seite die, die „cool“ sind, auf der anderen Seite die, die es nicht sind, es aber gerne wären, und dann gibt es da die Randgestalten, die sich nicht groß um so was scheren.
Die „Coolen“ haben immer das neuste iPhone, weil sie ihre superteuren Handys in regelmäßigen Zeitabschnitten durch unvorsichtigen Umgang zerstören. Sie posten alle fünf Minuten neue Lebensweisheiten auf Facebook und sind Fulltime Internetnutzer. Die anderen haben im Treppensystem absteigend
a) Smartphones von anderen großen Herstellern
b) Noname Smartphones
c) „nur“ ein normales Handy
d) einen Facebook Account mit mittelmäßig bis wenigen „Freunden“
e) keinen Facebook Account
f) begrenzten Internetzugang
g) kein Handy
h) keinen Internetzugang
i) weder ein Handy, noch einen Internetzugang und Facebookaccount
Aber gibt es da noch die Randgestalten- Leute wie mich.
Ganz ehrlich… was habe ich davon mein Leben im Netz zu verbringen und mir all die Orte anzusehen wo ich gern mal wäre, wenn ich sie mir doch gleich „in live“ anschauen kann? Was habe ich von 100 000 Facebookfreunden, wenn keiner wirklich da ist, mit dem ich lachen, reden, weinen kann? Und was nützt mir ein iPhone, wenn ich mir jedes Jahr ein neues kaufen muss, nur um damit angeben zu können???
Allerdings darf man das jetzt nicht falsch verstehen – nur weil ich mich in oben Genannten einfach keinen Sinn erkennen kann, heißt das nicht, dass ich nicht doch auch irgendwo ein „total digitales“ Leben habe. Obwohl ich mich nicht der Klassenhackordnung unterwerfe, weiß ich doch um die Möglichkeiten „meiner“ Zeit. Man braucht nur den Mut, tiefer in diese unglaublichen Welten einzutauchen.
Wir sind eine oberflächliche Welt. Ich sage das nicht, um irgendjemanden vorschnell zu verurteilen oder um gemein zu sein. Ich sehe mich lediglich als Beobachterin und als diese stelle ich fest, je mächtiger die verpixelte Welt wird, umso weniger kennen wir uns. Dabei gibt es im Netz so viel mehr als Facebook, Twitter und Co. 
Eine geradezu allwissende Informationsquelle.
Ein Wegweiser.
Eine Sammlung von Leben, für jeden sichtbar.
Aber vor allem ist das Internet, jene irgendwie ungreifbare, fast magische, Macht, eine Chance für jeden von uns sich selbst wieder und wieder aufs Neue zu entdecken.
Die Verbreitung von Nachrichten erfolgt innerhalb von wenigen Millisekunden. Dann weiß es quasi schon die ganze Welt. Auf einmal sind Sportler nicht mehr nur Sportler. Sie regen Diskussionen, denn sie werden vom Volk gehört, ganz anders als Politiker. Politiker dringen weniger leicht zu den jungen Leuten durch, als deren Vorbilder. Es ist ein Lemmingsystem. Wenn ein Thomas Müller sagt „Rettet den grünäugigen Blaukopfseegurkenfrosch“ wird der grünäugige Blaukopfseegurkenfrosch gerettet. Weil ein Thomas Müller eben gehört wird. Weil man das Video und das geschriebene Interview, in dem er zur Rettung dieses Frosches aufruft sofort geteilt, verlinkt und gemailt wird.
Das ist natürlich super, verändert uns und somit unsere Welt in vielerlei Hinsicht.
Doch leider gibt das Internet auch neue Möglichkeiten für „Hater“. Das ist eigentlich nicht die Art, auf die wir uns neu entdecken sollten, aber es passiert. Man wird gehatet, anonym, mit Worten, statt mit Schlägen. Wir prügeln uns nicht, dafür beschimpfen wir uns. Dabei richten Worte so viel größere Schäden an, als Handgreiflichkeiten. Glücklicherweise finden wir auf anderen Seiten im WWW wiederum Trost. Zugegeben, ein Forum a´ la „Wie bringe ich mich am besten um?“ sollte es wohl nicht sein, aber dennoch ist es durch die Möglichkeiten im Netz so einfach wie nie hunderte und tausende Gleichgesinnte zu finden.
Doch worauf ich eigentlich hinaus will, ist folgendes.
Wir dürfen die digitale Gesellschaft genauso wenig vorschnell verurteilen, wie alles andere vorschnell verurteilen dürfen. Klar, ich bin fast noch ein Kind, was kann ich da schon groß sagen? Aber wie bereits erwähnt betrachte ich mich selbst als Beobachter und ich sage lediglich was ich denke. Also sage ich, dass das Leben mit und im World Wide Web seine positiven und negativen Seiten hat.
Es kommt ganz darauf an wie wir es nutzen. Tatsache ist aber, dass wir vor lauter oberflächlichen Hackordnungen nicht die vielen, vielen Möglichkeiten unter der Oberfläche vergessen dürfen. Denn dort schlummern sie, Lieder aus längst vergessenen Zeiten, Texte von damals, von heute und von Morgen und Bilder, die mehr als tausend Worte sagen.
Wie heißt es so schön? Wer sucht, der findet? Obwohl… viel treffender wäre wohl, „Wir finden, wovon wir nicht einmal wussten, dass wir es gesucht haben.“

Autorin / Autor: Citty Cheshire, 16 Jahre