Die dunkle Seite des Internet

Beitrag zum Schreibwettbewerb "Total digital" von Heike Oldenburg (26 Jahre)

Da saß ich mal wieder. Fassungslos. Mein Computer summte teilnahmslos vor sich hin. Ich starrte auf den LCD-Flachbildschirm und konnte es einmal mehr nicht begreifen.
Facebook und sonstige Socialmedia, wie man sie heute nennt, sind eigentlich nicht mein Ding. Aber ich bin gezwungenermaßen dort angemeldet, da meine Freunde und Familie diese Erfindung ebenfalls benutzen. Man will ja nichts verpassen. Und das hat man dann davon. Freunde von Freunden, die man selbst gar nicht kennt, diskutieren angeregt und von der jeweils eigenen Meinung überzeugt, über die neuesten Nachrichten.
Da wird jeder, der einmal RTL-Newstime geschaut hat, sofort zum Experten in Sachen Krieg in Israel oder Freihandelsabkommen mit den Amerikanern. Natürlich sind auch BILD-Leser unter den fleißigen Kommentatoren, oder sollte ich eher sagen, „Hatern“? Denn das ist ja der neueste Begriff für Leute, die generell dagegen sind. Sie „haten“ alles und jeden, greifen sofort zu persönlichen Beleidigungen, wenn sie ihre Meinung in der Kritik stehen sehen. Jeder Mensch hat Vorurteile, jeder nimmt Nachrichten anders wahr. Viele Leute glauben den „Mainstreammedien“ auf’s Wort. Was die schließlich im Fernsehen zeigen, dass muss doch alles die Wahrheit sein, oder?
Ich sehe auch Nachrichten. Natürlich. Aber zugleich informiere ich mich auch im Internet. Das ist ja gottseidank ziemlich einfach. Man muss nur genau wissen, was man sucht. Dann findet man erstaunliche Nachrichten. Nachrichten, die so niemals im Fernsehen gezeigt werden. Und die, anders als Fernsehsendungen, sogar Quellenbelege liefern können. Sie haben also Beweise. Vielleicht nicht immer, aber wenigstens kann man dort, wenn man Interesse hat, selbst nachforschen. Aber das ist vielen zu anstrengend. Lieber das glauben, was BILD, SPIEGEL und Co. schreiben oder was RTL, ARD und Konsorten zeigen. Nicht wahr? Selber denken ist out. Google benutzen wir tagtäglich, wir twittern, facebooken und youtuben und wer weiß, was noch alles. Aber die wirklich wichtigen Sachen, die sind uns dann plötzlich die Mühe nicht mehr wert.
Da ist es doch viel bereichernder, wenn man weiß, wer genau wann Justin Bieber da eine geklatscht hat – und warum. Oder welche neuen Modesünden die „Stars“ auf dem roten Teppich in Hollywood begangen haben. Politik und Weltgeschehen ist ja auch total langweilig.
Das Problem daran ist nur, dass eine Ohrfeige, die sich Justin Bieber eingefangen hat, nicht die ganze Welt zerstören könnte. Und ein hässliches Kleid, das farblich nicht auf die hässlichen Schuhe abgestimmt ist, wird die Menschheit nicht auslöschen.
Sind die Menschen heutzutage wirklich so träge geworden? Ich meine geistig. Denn eigenständiges Denken scheint sogar kritisiert zu werden. Ich nenne gern ein Beispiel, wie ich darauf komme.
Es herrscht Krieg in Israel und Palästina. Die Menschen nehmen teil. Überall auf der Welt. Es gibt Friedensdemos, es gibt Interviews im Fernsehen. Menschen auf der Straße streiten sich, wer denn nun Schuld sei, an dem Dilemma da unten, in Nah-Ost. Sogar im Internet zerfetzen sich die User gegenseitig. Es wird beschuldigt, vermutet, gehetzt, gedroht, beleidigt bis die Schwarte kracht – oder das DSL streikt.
Und nun kommt das Problem: Ich sehe ja ein, dass nicht alle Menschen  einer Meinung sein können. Aber grade in solch wichtigen Themen kann man doch nicht einfach irgendwelche Behauptungen in den Raum werfen, die einem grade in den Sinn kommen.
Da liest man Aussagen wie:
„Israel hat vollkommen Recht, die verteidigen sich doch nur!“ oder „die Palästinenser sind doch selber schuld! Die haben doch angefangen!“
Zunächst einmal ist das Thema viel zu umfassend, kompliziert und viel zu wichtig und drastisch, um es einfach in Schwarz und Weiß, Schuld oder Unschuld unterteilen zu können. Und darum ist es so wichtig, sich auf die Fakten zu berufen, und nicht auf andere Dinge, die uns beeinflussen. Man muss kritische Fragen stellen. Man muss die Fakten prüfen. Ich möchte nicht zu sehr ins Detail gehen, nur andeuten, worauf ich hinaus will. Ich habe leider die Erfahrung gemacht, dass man sich unbeliebt macht, spricht man Fakten aus. Man wird zum Feindbild. Und genauso wird man auch behandelt. Ich möchte mal die Behauptung aufstellen, dass Internetuser generell zu schnell be-und verurteilen. So wie der Fall, der nur einer von vielen ist, übrigens: Ein junger Mann meldet sich auf einem Flirtportal an. Er stellt Fotos von sich ein. Plötzlich bricht der Shitstorm (Beschimpfungswelle vieler User gegen einen Einzigen) los. Der junge Mann wird auf das Übelste angefeindet. Man behauptet, er sei viel zu hässlich, um in diesem Flirtportal sein zu dürfen. Immer mehr User machten dabei mit. Es folgten zahlreiche Beschimpfungen. Der junge Mann verschwand. Man weiß bislang nicht, ob er noch lebt oder sich umgebracht hat.
Das Internet bietet zahllose Möglichkeiten. Es bringt aber auch das Schlechteste in Menschen hervor. Grade Socialmedia, Foren und sonstige Seiten, in denen man Kommentare hinterlassen kann, dienen vielen als Sandsäcke. Als emotionale Müllhalden. Hier kann man sich groß fühlen, hier ist man anonym. Hier kann man andere verletzen, runter machen und beleidigen. Und niemand erfährt, wie du aussiehst oder heißt. Du kannst deine schlechtesten Seiten zeigen und kriegst noch Beifall von anderen dafür. Und dann kann es sein, dass du damit irgendjemanden in den Selbstmord treibst.
Die Gefahr der Medien und des Internet ist außerdem, dass Kinder und Jugendliche gezielt manipuliert werden, bestimmte Meinungen zu entwickeln. Schließlich ist das Kind von heute der Wähler von morgen. Ich möchte allen Usern ans Herz legen: Behandelt andere mit Respekt, Online wie Offline, bildet euch eure eigene Meinung – forscht nach. Sucht die Wahrheit. Glaubt nicht alles, was ihr lest oder im Fernsehen seht. Bleibt neugierig und bleibt menschlich. Denn Menschlichkeit, gegenseitiges Verständnis und Respekt kann Kriege verhindern und viele Leben retten. Jeden Tag.

Autorin / Autor: Heike Oldenburg (26 J.)