Guinessbuch der Rekorde - was die Welt nicht braucht

Wibke fragt: Was ist eigentlich in uns gefahren?

Szenario in einer Buchhandlung

Vor ein paar Tagen ging ich gut gelaunt in meine Lieblingsbuchhandlung, ein neuer Schmöker musste her. Eine genaue Vorstellung hatte ich noch nicht, also schnell mal die neuen Bestseller-Tische abgegrast. Schon war es aus mit meiner guten Laune, ein türkises Werbeschild machte mich freundlich auf die neuste und vielversprechende Erscheinung aufmerksam:
"Das Warten hat endlich ein Ende! Das Guinessbuch der Rekorde 2010 ist da!"

Rekorde, die die Welt nicht braucht

Na endlich… Meine Ironie springt euch ins Gesicht. Ich konnte diesen Wirbel um Rekorde noch nie verstehen. In unserer Welt wird immer nur davon gesprochen, dass die Menschen keine Zeit haben. Die ganze Arbeit, die Kinder und dann müssen wir natürlich noch die Welt vor der Klimakatastrophe bewahren – da bleibt manchen scheinbar keine Zeit zum Atmen. Sicher? Ein Blick in das berühmte Buch der Rekorde spricht Bände: Es gibt den mit den Ohren am weitesten gezogenen Bus, den Menschen mit den meisten Wäscheklammern im Gesicht und das am längsten geküsste Auto.

In den Köpfen der anderen

Da frage ich mich manchmal, was in den Köpfen dieser Leute wohl vor sich gehen mag. Wie kommt man darauf, sich mit seiner Geige rückwärts auf ein Fahrrad zu setzen und damit zehn Minuten durch die Gegend zu radeln? Haben manche Menschen nichts Besseres zu tun als aus Kaugummipapier eine 11,188 km lange Papierschlange zu basteln? Auf der Suche nach dem Grund des ganzes Spektakels um dieses Buch, das übrigens schon einen Eintrag in sich selbst für das am meisten verkaufte Buch bekam, stieß ich auf die offizielle Seite des Guinessbuches, das wir ursprünglich den Iren zu verdanken haben.
Jeder kann sich hier für einen Rekordversuch anmelden und wird dann von der englischen Zentrale kontaktiert. Es gibt jedoch kein Honorar und die meisten Anträge werden sowieso abgelehnt, da sie nicht spektakulär genug für das Buch sind. Irgendwelche Vorschriften oder Sicherheitsmaßnahmen findet man in den Bestimmungen jedoch nicht, das finde ich ehrlich gesagt fahrlässig.
Manche Rekordversuche sind schließlich auch gefährlich, wenn ich mir überlege, rund fünfzig Kilo mit meiner Zunge zu tragen, tut mir das schon bei der bloßen Vorstellung weh. Außerdem wissen wir doch alle, dass Jugendliche oder auch Erwachsene die in Medien vorgestellten Witze und Rekorde nur zu gerne nachzuahmen versuchen. Dabei kann Einiges schiefgehen. In zehn Jahren wird unsere Welt mit einer Fünfjährigen zu kämpfen haben, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, allein die Welt zu umsegeln.

Verwendung für überschüssige Energie?

Viele Menschen möchten ihren Namen wahrscheinlich nur im gleichen Buch wiederfinden wie Michael Jackson oder andere Stars. Es geht vor allem um Aufmerksamkeit und wahrscheinlich soll manches davon sogar lustig sein.
Die Fakten und Zahlen, die rund um unsere Welt vorgestellt werden, finde ich gut und nützlich, es kann schließlich nicht schaden, wenn man weiß, dass die erste öffentliche Tonfilm-Vorführung 1922 stattfand. Weniger müsste man wissen, dass der höchste Sprung eines Schweins bei siebzig Zentimetern lag. Die Energie, Arbeit und das Geld, das in diese Bücher fließt, könnte man meiner Ansicht nach viel besser nutzen.
In einer Welt, in der der nächste Rekord „Die längste Finanzkrise der Weltgeschichte“ sein könnte, sollten wir uns vielleicht fragen, was wirklich zählt und wie wir Schreckensrekorde verhindern können. Nachdem das geschafft ist, können wir gerne überlegen, eine Spezialausgabe des Buches herauszubringen. „Die größten Rekorde rund um den Weltfrieden“ oder so ähnlich. Da würde ich eventuell noch einmal mit mir reden lassen. ;-)

Autorin / Autor: Wibke - Stand: 21.Oktober 2009