Abi 2010 – Zwischen Stress und Party

Von falschem Druck und wie man ihn ignoriert ;-)

14:10 h. Die Schulglocke schallt über das Gelände. Puh, geschafft! Endlich Schule aus. Wird aber auch Zeit! Und der Schulbus ist auch schon da, perfekt! Also nichts wie nach Hause. Dann kann ich endlich meinen Schlaf nachholen, den ich letzte Nacht irgendwie vernachlässigte. Die Hausarbeiten und Lernereien nehmen aber auch Zeit in Anspruch... Und das alles, um am nächsten Tag völlig übernächtigt in der Bank zu hängen und zu allem Unglück auch noch ausgefragt zu werden. Ausgerechnet Französisch. Da hilft selbst meine „dicker-Schal-um-den-Hals-und-Daunenjacke-Attrappe“ nichts. War eher kontraproduktiv und suggerierte wohl meine düstere Vorahnung, das nächste Opfer zu sein. Miserables Täuschungsmanöver... Dabei liebe ich ja die französische Sprache! Wunderbar elegant und verspielt. Weich und fließend. Aber wenn ich auf Französisch erklären muss, dass es Helmut Kohl war, in dessen Legislaturperiode der Mauerfall einzuordnen ist, dann setzt's bei mir aus. Da nützen auch hilfsbereite Nachbarinnen nichts, die mir die Lösung zuflüstern und mein Gehirn vor lauter Stresshormonen selbst das nicht mehr verarbeiten kann. Was soll das? Bin ich etwa eine schlechte Schülerin? Und all diese kleinen oder - im Falle von Klausuren - größeren Stresssituationen nur, um am Ende an den Unis sagen zu können: Bitte, da habt ihr meine Note. Entweder ihr nehmt mich so oder nicht. Aber dann schreibt mich wenigstens auf die Warteliste. Ich will ja nicht auf der Straße enden.

Bachelor bedeutet Stress

Ich komme nach Hause und schlage die neue Zeitung auf. Aha: wieder ein Artikel für Studenten oder solche, die's werden wollen. Wie immer das übliche: Bachelor bedeutet Stress, kein schönes Studenten-Leben, keine Ich-bin-jung-und-frei Gefühle. Und alle, die in den nächsten zwei, drei Jahren ihr Abi machen: Bitte besonders anstrengen, sonst habt ihr keine Chancen. Ihr wisst schon: doppelter Jahrgang und so. Und in Zeiten der Weltwirtschaftskrise schaffen es ja sowieso nur die Besten der Besten.

Na toll. Es reicht also nicht, eine gute Schülerin zu sein, wenn, dann schon die beste. Wenn das nicht Stress freisetzt. „Ach komm schon“, meint Ronny, meine Freundin. „In der Klasse meines Bruders haben es auch alle geschafft! Sogar die Drei-Komma-Irgendwas Schüler haben einen Studienplatz bekommen. Und die Freundin meines Bruders hat mit ihrem 1,3er Abi insgesamt schon sieben Absagen bekommen.“ Hää!?! Da stimmt doch was nicht! Wer hat denn nun recht? Verdrehte Welt?

Ich habe das unangenehme Gefühl, falschem Druck ausgesetzt zu sein. Und da spielen die Medien, ich kann es nicht leugnen, eine tragende Rolle. Aber wenn du das weißt, warum lässt du es dann zu? - flüstert in mir eine innere Stimme. Gewissen oder so was. Gute Frage. Hab ich zu hohe Ansprüche an mich selbst?

„Und?“, fragt Lilly, „Lust zu meiner Party zu kommen? Wir feiern durch!“

„Lilly! Wir haben nächste Woche zwei Schulaufgaben!“

„Na und! Wir leben doch nur einmal!“

Meine hohen Ansprüche? Die waren plötzlich vergessen.

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Autorin / Autor: Loumary - Stand: 7. Dezember 2009