Das technische Wunderwerk bei Nacht

Beitrag zum Schreibwettbewerb "Total digital" von Eva, 18 Jahre

Ich schrecke hoch. Aus tiefem Schlaf. Was ist der Grund? Natürlich, mein Handy klingelt. Wiedermal eine neue E-Mail.
Vor kurzem habe ich mir eine App heruntergeladen, mit der ich am Handy meine Mails checken kann. Doch dies hat nicht nur Vorteile. Ich weiß nicht, warum diese Werbemails vom fernen Amazonas immer nur nachts verschickt werden. Gähnend drücke ich auf das kleine Symbol das für „löschen“ steht und versuche wieder einzuschlafen.

Ein wohlbekannter Pfiff weckt mich erneut. Verschlafen gucke ich auf meinen Wecker: 3 Uhr! Was ist denn jetzt schon wieder los? Oh eine neue WhatsApp-Nachricht! Ich linse mit einem Auge darauf. Eine Mitteilung von Moni:

„Liebe Eva!
Wie geht es dir? Mir geht es gut. Hab schon lange nichts mehr von dir gehört und wollte dich fragen, ob du nicht Lust hättest, die Tage mal mit mir einen Kaffee trinken zu gehen, so wie in alten Zeiten. Ich habe zurzeit Urlaub und noch nichts Besonderes vor. Gerade habe ich einen DVD-Marathon hinter mir. ☺
Glg Moni“

Na toll und das fällt ihr ausgerechnet um diese Zeit ein? Ich bin hundemüde, muss morgen früh raus und hab keinen Urlaub! Ich verschiebe das Nachrichten schreiben auf ein anderes Mal (zu einer anderen Zeit) und döse langsam wieder ein.

3:43 Uhr erhalte ich dann folgende Nachricht:
„EVA? Alles okay? Warum schreibst du nicht zurück?“

Ich stöhne, tippe mühsam das Wort „Schlafen“ ein und lasse mich zurück in die Kissen sinken.
Zurück kommt, hip hip hurra: ein zerknirschter Smiley. Um 4:18 Uhr!
Toll, ich will schlafen!

Sollte ich das kleine, superpraktische, mobile, flatrategebuchte und hilfsbereite Universalgerät vielleicht ausschalten? Aber wenn nun eine wirklich wichtige Nachricht käme, die nicht Zeit hätte bis morgen, was dann? Also lasse ich das kleine Teufelswerk doch an.

4:47 Uhr: „BING“ Ich reiße erschrocken die Augen auf. Scheinbar bin ich doch nochmal im Tiefschlaf versunken. Ich bin kurz davor, es an die Wand zu werfen. Jemand fordert mich zum „Quizduell“ heraus“ Aaaaaaarrrrrrgggghhhhh!!! Kurzentschlossen, bevor noch etwas Schlimmes passiert, schalte ich das kleine Gerät aus. Endlich Ruhe, endlich schlafen. Doch es war ein fataler Fehler...

Ich öffne die Augen, zwar immer noch müde, aber wohl ausgeruht, die Sonne leuchtet hell beim Fenster herein. Oh nein! Ich starre auf die Uhr: Viertel nach 10! Durch die mehrmals unterbrochene Nachtruhe hab ich meinen verflixten Wecker nicht gehört und gewaltig verschlafen. Ich verfalle in Panik und schalte als Erstes das technische Wunderwerk ein. Verdammt, wie war nochmal die PIN? So lange hab ich es schon nicht mehr ausgeschaltet und wohin hat es nun geführt?

Hektisch krame ich die 689 Seiten meiner Handyanleitung durch, in der auch die PIN-Nummer vermerkt ist. Gefunden. Vor lauter Hektik vertippt. Neu gestartet.
Es fährt hoch.

Es pfeift: einmal, zweimal, dreimal. Drei verpasste Anrufe meiner Chefin, ich sollte seit über 4 Stunden in der Arbeit sein! Keine Zeit für die Mailbox.
Schnell starte ich einen Rückruf.

Schon nach dem zweiten Klingeln wird abgehoben.
Nebenbei bin ich bereits in meine alte Jeans gesprungen und habe mir ein frisches T-Shirt übergestreift.

Ich möchte schon mit meiner Entschuldigung loslegen, doch ich komme gar nicht zu Wort.

„Hallo Eva, schön dass du dich meldest. Hast du meine Nachricht erhalten?“ So ein ruhiger, freundlicher Ton? Das erweckt in mir Misstrauen. Was soll das? Ich versuche es erneut mit einem kläglichen „Ähm wie, was?“ Doch ich werde jäh unterbrochen.

„Ich hab schon vor Dienstbeginn versucht dich zu erreichen. Hast du eine neue Handynummer? Du kannst heute zuhause bleiben und mal richtig ausspannen. Es ist hier so wenig zu tun. Würdest du nächste Woche dafür bitte mal eine Nachtschicht übernehmen?“

Ich bin sprachlos und erstarre mitten unterm Haare kämmen. Ich kann es kaum glauben. Verlegen stammle ich Sachen wie „Natürlich“ und „kein Problem“. „Sehr schön, vielen Dank und bis bald.“

Tuut, tuut und weg ist sie. Ich halte das Handy gefühlte 10 Minuten weiter am Ohr vor lauter Erleichterung und Unglauben. So ein Glück!

Erschöpft sinke ich auf einen Stuhl. Ich bin von dem Schreck so geschafft, dass ich am liebsten nur noch schlafen möchte. Warum eigentlich nicht? Ich habe ja frei und soll mal richtig ausspannen. Davon hab ich bis jetzt eh noch nichts gemerkt.

Ich klettere zurück in mein kalt gewordenes Bett und versinke im Schlaf. Das Handy hab ich natürlich angelassen. Es könnte ja etwas Wichtiges sein …

Pustekuchen. Knapp eine halbe Stunde geschlafen, schon ertönt das bekannte Pfeifen. Moni mal wieder. Eine Entschuldigung für die nächtliche Störung. Seufzend schreibe ich eine längere Nachricht zurück und verabrede mich mit ihr zum Kaffee trinken. Heute wird es wohl nichts mehr mit schlafen.
Es lebe die moderne Technik!