Brief an Ana

Einsendung zum Schreibwettbewerb "KörperGEFÜHLE" von Anonym, 18 Jahre

Ana,

Du sagst, dass ich dich liebe und hasse. Aber es stimmt nicht.
Wie könnte ich dich hassen, obwohl du mir bei schwierigen Situationen Halt gegeben hast?
Du warst für mich da und hast mir den Druck entnommen, der auf mir gelastet hat. 
Ich habe dich zugelassen und ich könnte nicht sagen, wie ich ohne dich weiter hätte gerade stehen können.

Doch wie könnte ich dich lieben ? Du hast mir meine Unschuld beraubt, meine Jugendlichkeit versäumt, meine Selbstentwicklung gehindert.
Du hast mich nach und nach getötet, nachdem du mich gerettet hattest.

Ana, deine Worte sind so süß wie die Glasurkuchen, die du mir verbieten möchtest. Dementsprechend klebend sind sie auch. Dementsprechend süchtig machend.
So verführerisch. Ein Versprechen der Perfektion. Doch am Ende ist die Enttäuschung der bittere Nachgeschmack, welcher sich im Geiste wie Gift verbreitet.
Du bist das Gift, Ana. Die falsche Freundin, die mich nach und nach erlöschen lässt.
Ich kämpfe. Ich kämpfe gegen dich. Ein Gegenmittel gibt es aber leider nicht. Es gibt nur mich. ICH muss stärker sein als du.
Denn ich gehöre dir nicht. Ohne mich würde es dich nicht geben. Du lebst dank mir, durch mich.
Und ich wäre in etwas verschwunden, das es ohne mich nicht geben würde.

Ich kämpfe und ich gewinne.
Ana, deine Macht lässt nach, wenn du die meine nicht bekommen kannst.
Wenn ich ab und zu schwach werde, dann trinkst du gierig meine Kraft und wirst wieder größer.
Doch ich habe jetzt Freunde, Hobbys, Erkenntnisse über mich selbst, die mir dann helfen, wieder aufzustehen.

Ana, du hast verloren. Es ist nur eine Frage der Zeit. Je größer ich mich sein lasse, desto verkrüppelter wirst du.
Und eines Tages, Ana, eines Tages wird es dich nicht mehr geben. Eine Erinnerung wird noch in meinem Kopf ruhen, aber nicht mal ein Grab wirst du haben. Denn du hast keinen Körper, nichts. Du bist nichts. Nichts ohne mich.
Und ich will dich nicht.
Und du weißt ja ganz genau : Was ich will, ich kann.

Ich will Freiheit.

Adieu