Lebst du wirklich?

Einsendung zum Schreibwettbewerb "KörperGEFÜHLE" von Annika, 14 Jahre

Ich möchte euch heute etwas über mich erzählen. Oder besser gesagt, nicht direkt über mich, viel mehr etwas über meine Gedanken und Sichtweisen. Wer ich bin? Sagen wir, eine ältere Dame. Mein genaues Alter verrate ich nicht, aber ich habe doch schon ein ganz schönes Weilchen gelebt. Viele sagen, mit dem Alter kommt Weisheit, aber ich glaube Weisheit kommt durch Erfahrungen, gute und schlechte. Und Erfahrungen kommen durch ein gelebtes Leben.  Ich bin in meinem Leben zu einigen Schlüssen gekommen. Und genau davon möchte ich heute erzählen.

Man kann ein Leben in verschiedene Abschnitte einteilen. Kindheit, Jugend, Erwachsensein, Alt sein. Meine schönsten Jahre waren vermutlich meine Teenagerjahre, als ich jung war. In dieser Zeit erlebt man die Welt, fühlt sie wirklich und begreift was leben wirklich heißt. Es ist auch die Zeit in der man sich Millionen Fragen stellt. Auch das habe ich getan. Und ich habe Antworten gesucht. Mein Leben lang. Auf einige Fragen gab es aber keine Antwort. Es waren Fragen, deren Beantwortung man gefunden hat, indem man die Dinge einfach gelebt, gefühlt oder gesehen hat. Eine Frage die ich mir häufig gestellt habe war, was ist eigentlich Schönheit? Ich habe viel darüber nachgedacht, und irgendwann ist mir bewusst geworden, dass es für Schönheit keine Definition gibt. Es ist einfach da. Aber müsste die Tatsache, dass Schönheit nicht definierbar ist uns nicht alles sagen? Seit ich auf mein Äußeres etwas mehr achte, wird mir gesagt, wie ich auszusehen habe, was mein Idealgewicht ist, was eben „Schön“ ist. Insbesondere als ich in der Pubertät war haben viele Mädchen die ich kannte darunter gelitten, nicht dem aktuellen Schönheitsideal zu entsprechen. Aber das ist doch, wie der Name sagt, ein Idealbild. Überhaupt, wer bestimmt darüber was schön ist? Wer gibt ihm das Recht darüber zu bestimmen, uns zu sagen wie wir aussehen sollen? Ein Körper gehört doch untrennbar zu einem Charakter, einem Individuum. Wenn wir alle gleich aussähen, was für eine Welt wäre das? Wir Menschen sind alle unterschiedlich. So auch unser Aussehen. Würde nicht ein Teil von uns selber verloren gehen, währen alle Menschen kleine, perfekte Models? Liegt das Geheimnis von Schönheit und  Kreativität nicht im Imperfekten und in den Unterschieden zwischen uns allen? Wir sollten, insbesondere was unser Aussehen und unseren „Style“ betrifft, weniger versuchen dem Mainstream zu folgen, sondern viel mehr unseren eigenen Weg finden und zu uns selber stehen. Das kann hart sein, ich habe es am eigenen Leib erlebt. Aber nur wenn man sozusagen mit sich selber im reinen ist, kann man auch ein glückliches Leben führen. Außerdem geht es dem Körper gut, wenn es der Seele auch gut geht und umgekehrt. Es hängt zusammen.  Wenn man beispielsweise krank ist, Fieber, Kopfweh, Halsweh hat, hat man schlechte Laune, es geht einem einfach grundsätzlich nicht gut. Im Gegenteil dazu könnte man manchmal mit einem gebrochenen Bein durch die Stadt hüpfen, weil alles gerade passt und man glücklich ist. Die Bedeutung meines Körpers habe ich viel zu lange unterschätzt. Er ist im Prinzip das Zuhause unserer Seele, unseres ganzen selbst. Und es ist nicht immer einfach sich in diesem Zuhause zu Recht zu finden. Diese Erfahrung habe ich oft genug in Teenagerjahren gemacht. Dieser ernüchternde Moment, wenn man morgens aufsteht, in den Spiegel sieht und sich denkt: „Bin dieses hässliche Etwas wirklich ich?“ Aber man kann sein Aussehen nicht verändern. Man kann nur lernen es zu akzeptieren und sich damit wohl zu fühlen. Und nach allen Erfahrungen die ich gemacht habe, geht dies am besten durch leben. Wenn du dein Leben einmal intensiv lebst, spürst was es heißt ein Teil davon zu sein und glücklich bist, bist du auch zufrieden mit dir selber. Es ist auch wichtig sich um seinen Körper zu kümmern, ob man in mag oder nicht. Er ist keine Hülle. Man muss ihn Pflegen. Nur dann lernt man ihn auch kennen und beginnt ihn zu mögen.

Im Laufe meines Lebens ist mir auch immer wieder aufgefallen, dass es Menschen gibt, die nicht dem klassischen Bild von Schönheit entsprechen. Sie sind es viel mehr auf ihre eigene Art, scheinen zum Teil regelrecht zu leuchten. Sie sind „Schön“, nicht Hübsch. Schön von innen, zufrieden mit sich selber. Und ich glaube, es gibt keine hässlichen Menschen, nur unzufriedene. Ein glücklicher Mensch ist auch schön.  Er strahlt es aus. Und dazu hat jeder die Chance. Jeder ist auf seine Art schön, genauso wie jeder etwas Besonderes ist, allein schon weil er einmalig ist. Vielleicht vergessen wir das auch zu oft. Wir  sind komplett, voll und ganz einmalig auf der Welt. Und genauso ist es auch mit unserem Äußeren.
Wir sollten manchmal weniger darauf achten, was andere über uns sagen oder denken. Denn ist es nicht schon ein bisschen verrückt, dass wir auf manches verzichten, andere Entscheidungen treffen, nur weil wir Angst vor der Meinung anderer Menschen haben? Wie man so schön sagt: Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom. Wer lebendig ist, ist selbstbewusst genug dagegen anzuschwimmen und vielleicht völlig neue Gewässer entdecken. Was wir Mädchen brauchen ist mehr Selbstbewusstsein. Wir müssen lernen zu uns zu stehen, zu dem was wir sind und wie wir aussehen.

Eine andere Frage die ich mir gestellt habe war, was ist Liebe und werden wir geliebt weil wir schön sind? Das war eine dieser Fragen, auf die man keine direkte Antwort gefunden hat. Man muss es erleben. Aber ich glaube nicht, dass man einen Menschen nur wegen seinem Äußeren liebt. Man liebt ihn als Ganzes. Und ist es nicht auch so, dass Menschen die wir lieben für uns nicht „hässlich“ sind, sondern schön? Personen die wir wirklich und echt lieben, lieben wir bedingungslos. Und sie uns. Wir müssen uns nicht verstellen um ihnen unter die Augen treten zu können. Und das ist ein großartiges Geschenk.  Ich glaube auch, dass wir ohne Liebe nicht existenzfähig wären, oder zumindest nicht in dieser Form. Wir Menschen suchen im Leben immer nach Sinn und Anerkennung. Lieben wir und werden geliebt finden wir dies.  Doch wir müssen uns auch immer wieder trennen. Durch Veränderungen, Distanz, Tod. Und der Schmerz den man fühlt, wenn man einen Menschen vermisst, ist vielleicht der Schlimmste seelische den es gibt. Denn ich denke, jede geliebte Person hat einen Platz tief in uns drin. Sie hat einen bestimmten Umriss, eine bestimme Form. Werden wir von ihr verlassen oder sie von uns, wird die Form leer. Nur der Umriss bleibt, ein Loch entsteht. Im Laufe eines Lebens kommen neue Menschen in unser Leben und füllen dieses Loch. Aber ihre Form ist anders und so bleibt immer ein Teil der anderen Person in uns.  Somit werden wir Menschen die wir wirklich geliebt haben, niemals voll und ganz vergessen können. Und auch wenn dies manchmal wehtut ist es doch gut. Denn sie haben uns etwas bedeutet und habe uns auf ihre Weise etwas über das Leben gelehrt.

In der Pubertät liegen die Gefühle manchmal extrem nah beieinander. Ich habe oft versucht, „stark“ zu sein, nicht zu weinen. Aber irgendwann habe ich es aufgegeben. Es hat keinen Sinn und danach ging es einem besser. Es gehört zum Leben dazu, zu lachen, zu weinen, zu lieben, zu hassen. Es sind Dinge die man nicht ändern kann und man muss durch dieses „Gefühlschaos“ gegangen sein, um einmal gefühlt zu haben, was Leben heißt.

Es war für mich damals schon nicht ganz einfach, Teenager zu sein. Mittlerweile ist es glaube ich noch schwerer geworden. Unsere Welt hat sich verändert. Sie ist schneller geworden, anonymer. Man fühlt sich leichter alleine und verlassen in einem viel zu großen Universum. Insbesondere als Jugendlicher. Man ist ohnehin schon in einer Phase des Übergangs. Man weiß um den Verlust seiner Kindheit, aber was einen erwartet ist noch ungewiss. Es wird einem von allem und jedem vorgegeben, wie man zu sein hat und doch soll man seinen eigenen Weg finden. Es heißt immer, das „Lebensziel“ soll Glücklichsein sein. Aber man darf dies nicht zwanghaft versuchen. Glück findet einen. Oft auch wo man es am wenigsten erwartet. Leben, lachen, fühlen, träumen, hoffen. Wenn wir manchmal weniger denken sondern einfach machen würden, hätten wir es vielleicht oft leichter. Wir wären zufriedener mit uns selber, würden uns wohler fühlen, wären im Reinen mit uns selber. Eben glücklicher.

Autorin / Autor: Annika, 14 Jahre