Schmerzrot - Strahlendgelb

Einsendung zum Schreibwettbewerb "KörperGEFÜHLE" von Carolin, 17 Jahre

Nachdem ich viel zu heiß geduscht hatte, ging es ans Haare trocknen. Der Föhn blies heiße trockene Luft in Nacken und trocknete somit das mit Narben und kleinen, frischen Wunden übersäte Feld meines Rückens. Die Haut zog sich dort, wo der heiße Luftstrom erbarmungslos auftraf, schmerzhaft zusammen. Viele hunderttausend kleine Stiche. Ich genoss es. Ich wusste, dass ich das nicht sollte und tat es trotzdem. Ein wohltuender Schmerz. Wie zuvor die heiße Dusche. Wie wenn Haut, die durch meine Fingernägel bearbeitet wurde und blutete, mit Wasser überspült wurde. Genauso. Und ich liebte es und hasste mich dafür. Denn im Moment konnte ich meine Fingernägel nicht benutzen. Ich hatte sie so kurz gestutzt, dass es wehtat, wenn ich die Finger krümmte.
Das klingt alles ziemlich merkwürdig, krank. Ist es auch. Ich bin krank. Ich bin 17 Jahre alt, 157 m groß, habe kurze dunkelbraun gefärbte Haare und Neurodermitis.
Das ist, eine Hautkrankheit mit psychischem Ursprung.
Die Symptome: ein krankhaftes Kratzen am ganzen Körper, ausgelöst von einem sehr heftigen Juckreiz, der noch durch viele Lebensmittel verstärkt werden kann.
Dieser Reiz wiederum tritt auf, wenn Leute wie ich aus ganz verschiedenen Gründen gestresst sind. Eine Arbeit in der Schule. Vollgestopfte Tage. Erwartungen an sich selbst oder von anderen an dem eigenen Verhalten, Tun, Leistungen... Leistungsdruck in jeder Art. Zu solchen Zeiten oder auch sonst, halten wir unsere eigenen Bedürfnisse ziemlich zurück, weil wir keine Zeit dafür haben, uns um sie zu kümmern.
Es ist trotzdem eine Art Ventil notwendig, um den innerlichen Schmerz nach außen zu transportieren und fühlbar zu machen. Also projizieren wir alles auf unseren Körper. Es ist ein Spiel und er ist das Schachbrett.
Manche Leute sagen von sich, sie wären ein offenes Buch. Nun, wir sind es wirklich. Würde man unsere Haut sehen, würde man sofort wissen, wie es uns geht. Aber die Spuren werden oft versteckt von Kleidung. Nicht jeder sieht meinen Rücken. In den Umkleidekabinen stell ich mich einfach mit ihm zur Wand und niemand weiß, was los ist. Dies macht das ganze Spiel noch interessanter. Das Verstecken und Verheimlichen.
Die Menschen um mich herum wissen, dass ich krank bin und es gab Zeiten, da war es so schlimm, dass ich es ihnen nicht verheimlichen konnte. Nur so viel: die einzige Stelle an meinem Körper mit gesunder Haut war mein Bauch und ich hatte Schüttelfrost, war ziemlich schwach, ausgelaugt und es hörte nicht auf. Nie. Selbst schlafen konnte ich nicht mehr richtig, denn dabei kratze ich mich. Jeden Morgen wachte ich auf. Alles brannte, wie als wäre ich von einem Fahrrad in Sand gefallen. Meine Schlafsachen waren blutig. Und alles war meine Schuld. Immerhin waren es meine eigenen Hände, die das Alles angerichtet hatten. Meine.
Doch es gibt Lichtblicke. Diese Gefühle sind noch tief in mir verborgen, aber ich bin ein glücklicherer Mensch geworden. Ein ausgefüllter Mensch. Der Himmel hat sich gelichtet und ich habe Träume gefunden, für die es sich lohnt, sich nicht einfach fallen zu lassen und sich dem Schmerz hinzugeben.
Auf dieser Erde gibt es wundervolle Menschen, die mir immer wieder ihre Hände reichen, damit ich mich aus den schwarzen Löchern des Selbsthasses heraus ziehen kann.
Ich liebe sie.
Und ich danke ihnen von ganzem Herzen.
Doch ein Mensch ist etwas ganz Besonderes.
Er hat meinen tiefen Glauben, ein schlechter Mensch zu sein, vernichtet und mich gelehrt, mich und meinen Körper so zu lieben, wie ich bin und wie er mir gegeben ist.
Seit Jahren erfüllte mich eine bittere Traurigkeit. Es waren Zeiten, in denen mich meine Krankheit aufgefressen hat und ich dabei hilflos zusehen musste. Es war eine meiner größten Ängste, dass dieses Gefühl der Kälte und Schwärze wieder zurückkommt, wenn dieser Mensch für eine Weile verschwindet, aber er hat ein Licht angeschaltet, dass bis heute weiterbrennt, so dass ich zumindest den Boden der schwarzen Löcher erahnen kann, in die ich hin und wieder stolpere. Ich kann selbst stark sein und in mir zu Hause sein.
Ich weiß nicht, wie er das geschafft hat, aber danke! Ich bin so erleichtert und dankbar über dieses Geschenk, dass ich Freudentränen in den Augen habe.
Ich tanze, springe, lache laut und renne durch Blumenwiesen der Selbstheilung.
Er hat mir die verlorene Selbstakzeptanz zurückgegeben, nach der ich so verzweifelt gesucht habe.
Er hat mich ermutigt, die bestmögliche Version meiner selbst zu sein und ich weiß nicht, ob ich das geschafft hätte ohne ihn.