Das ganz besondere Geschenk

Einsendung zum Schreibwettbewerb "KörperGEFÜHLE" von Rabea, 15 Jahre

Sie streicht sich über die Haut.
Es ist die Haut einer 15-Jährigen. Aber sollte so eine junge Haut nicht eigentlich samtig weich sein?
Doch ihre Haut fühlt sich anders an als die von anderen.
Sie ist strapaziert und fertig und erzählt uns eine Geschichte über das Leben des Mädchens.

Ich wurde mit Neurodermitis geboren.
Es ist eigentlich kein Problem für mich, denn ich kenne es einfach nicht anders. Aber man merkt natürlich manchmal die Blicke der Anderen. Ich nehme es ihnen nicht übel, denn wahrscheinlich würde ich auch komisch gucken, wenn mir jemand mit einem schuppigen und zerkratzten Gesicht gegenüber steht.
Es ist aber schön zu wissen, dass es meinen Freunden völlig egal ist, wie ich aussehe. Sie akzeptieren mich so, wie ich bin. Ich weiß, dass ich manchmal einfach nur schrecklich aussehe. Ich habe von Natur aus sehr starke Augenringe. Dazu kommt dann noch meine rote zerkratze Haut und dann sehe ich schon sehr fertig aus, aber ich kann es halt nicht ändern.
Von außen sehen die Leute ein selbstbewusstes Mädchen. Dieses Mädchen ist komplett durchgeplant, hat ständig Auftritte, ist bei vielen Sportveranstaltungen dabei und schafft es trotzdem gut in der Schule zu sein. Ganz nebenbei hat sie noch eine Hautkrankheit, aber das ist nicht wirklich wichtig.
Eigentlich ist es schön, dass sie mich so sehen und meine Krankheit für sie keine große Bedeutung hat, aber am liebsten würde ich ihnen mal zeigen, was es bedeutet Neurodermitis zu haben, denn es ist nicht mal eben so mit zweimal täglich eincremen abgetan. Für die meisten Menschen ist es ganz normal jeden Tag zu duschen, aber wenn ich ihnen erklären würde, wie schmerzhaft das Duschen für mich ist, dann würden sie das glaube ich nicht verstehen. Manchmal kann ich meinen Hals und meinen Mund nicht richtig bewegen, weil meine Haut zu sehr spannt. Sie machen liebevolle Späße darüber, dass ich alle möglichen Leute nach einem Labello oder einer Creme frage, weil ich meine vergessen habe, aber wenn ich keine Creme habe, dann werde ich verrückt. Es ist wie die Abhängigkeit von einer Droge. Sie können sich dieses Gefühl einfach nicht vorstellen und das ist auch wirklich kein Problem für mich, aber es ist halt schon komisch, weil alle denken, dass das ein Zuckerschlecken ist.
Doch ich glaube auch an das natürliche Gleichgewicht in dieser Welt. Jeder hat sein kleines individuelles Päckchen zu tragen, aber jeder kann trotzdem etwas besonders gut, was ihn zu etwas Besonderem macht. Man glaubt zwar, dass manche Menschen perfekt sind, aber auch diese Menschen haben Probleme.
Ich habe zum Beispiel ein Mädchen in meiner Klasse, das bildschön ist. Sie sieht einfach jeden Tag perfekt aus und ihre Haare liegen immer. Sie hat ein wunderschönes Lachen und schafft es, von jedem sofort ins Herz geschlossen zu werden.
Natürlich denkt man dann schon: „Warum ist das bei mir nicht so? Was mache ich falsch? Mann, ist das ungerecht!“
Doch ich weiß, dass auch bei ihr nicht alles perfekt läuft, denn ihre Eltern haben sich getrennt und ich weiß, weil sie eine meiner besten Freundinnen ist, dass sie am Boden zerstört ist.

In meiner Freizeit bin ich eigentlich immer unterwegs. Die meiste Zeit bin ich in der Musikschule und nehme Gesangs- und Saxophonunterricht. Und wenn ich dort nicht bin, spiele ich Volleyball. Mein Papa sagt mir zwar immer, dass ich ein bisschen ruhiger machen soll, weil Stress den Hautzustand verschlechtert, aber ich brauche das um mich lebendig zu fühlen. Wenn ich auf einer Bühne singe, dann bin ich einfach frei, weil ich weiß, dass ich das gut kann und weil ich die Leute damit begeistern kann. Das macht mich gesund. Das macht mich glücklich, weil ich damit andere Leute glücklich machen kann. Ich weiß, dass es den Leuten egal ist, ob ich ein rotes Gesicht habe oder Schuppen auf der Haut, denn ich sehe die Bewunderung in ihren Augen und das macht mich gesünder als jede erdenkliche Kur.
Ich glaube, dass die Musik ein ganz besonderes Geschenk für mich ist, das ich nutzen soll.
Ich definiere mich über die Musik und wenn mich jemand fragen würde: „Würdest du lieber ohne Neurodermitis leben und dafür deine Musik aufgeben, oder mit Neurodermitis leben und dafür deine Musikalität behalten?“, dann würde ich letzteres wählen, denn es ist so, wie es jetzt gerade ist, perfekt!

Ich könnte mich jeden Tag darüber aufregen, dass ich einen Nachteil durch die Neurodermitis habe und die Anderen nicht, aber ich weiß, dass es Dinge gibt, die ich gut kann und die mich auszeichnen. Jeder Mensch kann etwas gut und ich bin der Meinung, dass man an diesen Dingen festhalten sollte, selbst wenn es nur kleine sind. Denn meistens sind es die kleinen Dinge, die unser Leben lebenswert machen.

Autorin / Autor: Rabea, 15 Jahre