Lizenz zum Schwabbeln

Einsendung zum Schreibwettbewerb "KörperGEFÜHLE" von la-reyes, 19 Jahre

Bevor wir uns in das lauwarme Nass der Schwimmhalle begeben, laufen meine Freundin und ich, beide im Bikini, die Hände vor dem Bauch verschränkt an der verspiegelten Wand die zu den Duschen führt vorbei. Natürlich nicht ohne uns zu begutachten.
Wir machen Späße, hauen uns auf den Hintern, dass der nur so schwabbelt (oder habe ich mir das nur eingebildet?) und ziehen unsere Bäuche ein, schneiden Grimassen. Was für ein Spaß! Der muss wohl sein. Wenn ich mich aus Eitelkeit und Scham nicht ins Schwimmbad trauen würde, wäre es wohl ganz vorbei.
Warum darf mein Arsch eigentlich nicht schwabbeln? Nur so ein kleines bisschen? Habe ich nicht das Recht zu schwabbeln wo und wie ich möchte? Brauch man dafür eine Lizenz?
Und meine Brüste? Von 90-60-90 bin ich Lichtjahre entfernt – wohl eher 80-80-80.
Was klingt wie eine Auskunftshotline, ist wohl die traurige Realität – naja, zugegeben, ein bisschen über bzw. untertrieben ist das schon. Jaja, Gefühl und Realität das sind schon zwei so Dinge. Manchmal unterscheiden sie sich wie schwarz und weiß. Wie die Hosengrößen der verschiedenen Kaufhäuser.
Im einen Laden bin ich kurz vor einem Nervenzusammenbruch weil ich nicht in Größe 38 reinpasse während ich 50m weiter eine Modelgröße von 25 (amerikanischer Größe) tragen kannn.
Finde. Den. Fehler.
Da soll man mit seiner Weiblichkeit klarkommen und sein Frauenbild jenseits von Weightwatchers und dem Magerklub Hollywoods aufbauen.
Die Herausgeber von Frauenzeitschriften scheinen allesamt nicht zu wissen, was sie wollen.
Verurteilen sie im „Society“ Teil Magermodels oder ab und zu Schönheits- Op’s, kann man sich auf den Seiten über „Health and Fitness“ (die deutsche Sprache braucht ja auch kein Schwein mehr) über die neusten Diäten informieren und findet heraus, wie man am besten in 7 Tagen 7 Kilo abnimmt.
Wer schreibt denn so was? Chronisch Esssgestörte, die noch nie eine Therapieeinrichtung von innen gesehen haben? Aber die triggernden Pro Ana Seiten gehören verboten! Das ist ja klar – damit bekämpft man die tödlichen Krankheiten konsequent!
Sogar auf Facebook liken Millionen von jungen Frauen Seiten wie „perfect girls“ und werden Teil von Gruppen namens „Abnehm – Schnecken“ – zusammen sind wir stark.
Naja, man darf ja wohl noch abnehmen, wenn man will. Ja ok – aber wann ist Schluss? Was ist normal? Darf man sich in seinem Körper nicht einfach…so…wohlfühlen? KANN das überhaupt noch jemand? Was heißt sich wohlfühlen überhaupt?

Ich für meinen Teil habe nach Jahren voller Kalorienzählen, über der Kloschüssel hängen und der ein oder anderen – letztendlich mehr aber oft weniger erfolgreichen Therapie eine Sache auf jeden Fall gelernt: Gesund wurde ich nur als Anarchistin – als Anarchistin mit einem großen Herz.

Autorin / Autor: von la-reyes, 19 Jahre