Jungen sind doch keine "Bildungsverlierer"

Neue Studie belegt, dass Jungen in deutschen Bildungsinstitutionen gegenüber Mädchen nicht benachteiligt sind.

Die pädagogische Fachwelt scheint sich offensichtlich gewaltig geirrt zu haben, als sie die These in die Welt setzte, Jungen seien im deutschen Bildungssystem benachteiligt. Den Grund für das schlechtere Abschneiden der Jungen in den Schulleistungen sahen ExpertInnen darin, dass sie meist von weiblichen Lehrern unterrichtet würden, die sie mit ihren Bedürfnissen ignorieren und sie zusätzlich auch noch schlechter benoten würden als ihre weiblichen Mitschüler.

Dass diese - übrigens durch die Presse weit verbreiteten - Annahmen schlichtweg falsch sind, hat nun eine neue Studie der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ergeben. Der Wissenschaftler Thomas Viola Rieske hat im Auftrag der Max-Traeger-Stiftung genauer hingesehen und Daten und Fakten zu folgenden Fragen zusanmmen getragen: "Werden Jungen in der gegenwärtigen Bildungswirklichkeit benachteiligt? Und sind Bildungsmisserfolge von Jungen tatsächlich darin begründet, dass es einen "Frauenüberschuss" im Bildungswesen gibt?

Jungen sind nicht benmachteiligt, weil sie von Lehrerinnen unterrichtet werden

Sein Ergebnis: Jungen seien als Gruppe in deutschen Bildungsinstitutionen gegenüber Mädchen nicht benachteiligt - zumindest nicht aus den oben genannten Gründen. Zwar schneiden sie in den Schulnoten oft schlechter ab als die Mädchen, das liege aber nicht daran, dass die LehrerInnen sie diskriminierten oder die Lerninhalte nicht auf sie zugeschnitten seien, erklärt der Wissenschaftler. Auslöser für die Probleme sei vielmehr eine Veränderung der Bedeutung von Wissen und formalen Abschlüssen. Rieske sieht das Problem eher in veränderten Arbeitsanforderungen und im neuen Nationenwettbewerb, der dazu führe, dass die Probleme von Jungen und Schule debattiert werden. Aus seiner Sicht liegt die Benachteiligung der Jungen darin, dass gesellschaftliche Definitionen von dem, was als "männlich" angesehen wird in Konflikt gerät mit den Anforderungen, die Schule an sie stellt. Insbesondere eine Orientierung an der Idee "männlicher Überlegenheit" und Widerständigkeit gegen Anpassung, vermeintlich "männlichen Begabungen" und die Ablehnung von "Fleißarbeit" würde Jungen daran hindern, gute Abschlüsse zu machen. Jungen hätten es auch schwerer, weil sie oft ein zu hohes Maß an Selbstvertrauen hätten und oft nicht einsähen, dass sie Hilfe bräuchten. Auf der anderen Seite scheinen die entsprechenden Definitionen von "Weiblichkeit", wie zum Beispiel das Akzeptieren von Untergeordnetheit und gegebenen Regeln, geringes Vertrauen in eigene Fähigkeiten, das Verinnerlichen von Konflikten anstelle von offenem Ansprechen auch  (einige) Mädchen darin zu behindern, nicht nur formale Abschlüsse, sondern auch andere Kompetenzen zu erwerben, die für das Erreichen beruflicher Erfolge notwendig sind, erläutert Rieske.

Wie es also aussieht, gibt es nicht *die* benachteiligten Jungen und *die* erfolgreichen Mädchen, so stellt auch Anne Jenter, Leiterin des Arbeitsbereichs Frauenpolitik beim Hauptvorstand der GEW im Vorwort zu Studie fest. Eine ernsthaft geführte Debatte über den Beitrag von Schule bei der Zuweisung oder gar Verfestigung von Rollenstereotypen sei überfällig. "Besonders der Ruf nach mehr männlichen Vorbildern in Schule lässt die Frage aufkommen, ob nicht gerade die gesellschaftlich anerkannte Norm von Männlichkeit für den schulischen Misserfolg bestimmter Jungen mitverantwortlich ist. Überflüssig und kontraproduktiv ist eine Debatte, wenn sie als Kampf zwischen den Geschlechtern mit Schuldzuweisungen an bestimmte Personengruppen geführt wird. Solche Debatten sind nicht lösungsorientiert und dienen eher als Ablenkungsmanöver von den notwendigen Veränderungen von Schule, die allen Jungen und Mädchen gleiche Lebenschancen durch individuelle Förderung ermöglichen sollte", so Jenter. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.

Lies die Studie im Netz

  • Bildung von Geschlecht
    Zur Diskussion um Jungenbenachteiligung und Feminisierung in deutschen Bildungsinstitutionen
Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 23. März 2011