Ein Einbruch, der keiner war

Einsendung zum Schreibwettbewerb "Eine angelehnte Tür" von Beltz & Gelberg und LizzyNet

Die Bretter unter meinen Füßen knarren leise, als ich mich der Tür nähere. Sie ist einen Spalt breit offen, und ich versuche hineinzulinsen. Aber etwas versperrt mir die Sicht, und so bleibt mir nichts anderes übrig, als zu lauschen, was in dem Zimmer vor sich geht. Der Staub, der in dem kleinen Lichtstrahl, der durch die Tür dringt, gut sichtbar ist, wirbelt herum, als ein Windstoß durch das offene Fenster hereinweht.
Plötzlich höre ich Schritte. Schnelle Schritte, die hinter der Tür auf und ab gehen. Und ein Stimme, die mir vertraut, und doch fremd ist, da ich sie viel zu lange nicht mehr gehört habe.
Sie murmelt: „Nein, das ist zu viel, nimm lieber noch ein paar von denen…“
Eine tiefere, und irgendwie brummige Stimme antwortet: „Hörst du jetzt auf, so herumzuhüpfen! Wie soll ich mich sonst konzentrieren?!“ Ich wage es, und öffne die Tür einen Handbreit mehr. Aber immer  noch steht irgendetwas im Weg, an dem ich nicht vorbeisehen kann. Aber als ich versuche, an dem Ding vorbeizusehen, knarren die Bodenbretter bedrohlich laut, da ich mein Gewicht verlagert habe.
Aus den Augenwinkeln sehe ich gerade noch, wie ein Mann im Zimmer den Kopf herumreißt, und zur Tür starrt. Ich glaube, er hat eine meiner blonden Locken gesehen, aber mehr auch nicht, da ich meinen Kopf sofort zurückgezogen hatte.

Jetzt laufe ich auf Zehenspitzen, und so leise ich kann, in mein Zimmer zurück. Keine Sekunde zu spät, den just in dem Moment, in dem ich meine Tür geschlossen hatte, höre ich auch schon, wie eine andere aufgerissen wird. Ich werfe einen Blick auf meinen Wecker. Drei Uhr Früh. Wer um HIMMELS WILLEN  war um drei Uhr morgens in dem Wohnzimmer meiner Eltern? Gleich darauf kommen mir die abstrusesten Gedanken in den Sinn. Kobolde, sprechende Drachen, die unser Haus in die Luft jagen wollen, und so weiter. Aber nach ungefähr einer Minute kommt mir doch ein realistischer Einfall. Einbrecher. So einfach war das. Ich hörte immer noch Schritte in unserem Flur, und so setzte ich mich auf meine Knie und schaue durch das Schlüsselloch. Ein Mann mittleren Alters mit schütterem Haar und einer vermutlich tausend Jahre alten Brille auf der Nase sieht sich wachsam um. Er hält eine Taschenlampe in der Hand, mit der er alles erleuchtet. Er scheint aber zu dem Schluss zu kommen, dass es nur eine Maus oder so etwas war, jedenfalls zuckte er mit den Achseln und marschierte wieder ins Wohnzimmer. Ich atme tief durch, dann drücke ich meine Klinke wieder langsam durch, und schleiche mich zu der Tür zurück. Diesmal wage ich es, sie ein wenig weiter zu öffnen, und mein ganzes Gesicht in den Raum zu stecken.

Es war nicht einmal annähernd der Gedanke, den ich hatte. Zwei Männer stehen in dem Raum, und verteilen aus irgendeinem Grund überall etwas, das ich nicht erkennen kann.
Als sie damit fertig sind, nicken sie sich einmal zu, und holen aus einer schwarzen Aktentasche einen Ordner. Er ist überfüllt mit lauter Karten und Fotos, die ich noch nie gesehen hatte.
Anschließend sehen sie sich noch einmal um, dann schwingen sie sich aus unserem nicht gerade kleinen Wohnzimmerfenster. Als ich mir sicher bin, dass die Männer nicht mehr zurückkommen, stolpere ich benommen in das Zimmer und drehe das Licht auf. Der Anblick verschlägt mir beinahe die Sprache. Das Zimmer ist über und über mit Konfetti, Luftballons und anderem Zeugs geschmückt. In der Mitte steht ein riesiges Buffet, auf dem Muffins, Kuchen, Punsch und Bowle überquellen.
Ich muss lächeln. Mir kommt schon eine ungefähre Ahnung in den Sinn, wer die “Einbrecher“ waren. Ich gehe auf die Mappe mit den Fotos und Karten zu, und sehe sie mir an. Es waren lauter Glückwunschkarten und Geburtstagsfotos von meinen Eltern. Meine Mutter hat nämlich heute Geburtstag. Das hatte ich fast vergessen! Aber jetzt habe ich gerade noch genug Zeit, um ein Geschenk zu kaufen. Ich werfe noch einen letzten Blick in das festlich geschmückte Zimmer, dann gehe ich –immer noch lächelnd- in mein Zimmer und lege mich wieder schlafen.

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Autorin / Autor: Laura, 11 Jahre - Stand: 15. Juni 2010