Ohne Titel

Einsendung zum Schreibwettbewerb "Eine angelehnte Tür" von Beltz & Gelberg und LizzyNet

Es war ruhig, zu ruhig.
Plötzlich fiel mir auf, dass das Prasseln nicht mehr da war. Der Regen hatte aufgehört. Ich blickte zum Fenster. Die Wolken waren weg und machten den Blick frei auf den Mond. Vollmond. Übriggebliebene Tropfen rannen über die Scheibe.
Seltsamerweise machte mich der Vollmond traurig. Ich dachte an meinen Vater. An das letzte Mal. Nun war er tot. Umgebracht, von einem Menschen der mir viel bedeutete. Die Betonung lag auf bedeutete. Nun verabscheute ich ihn, wie den Rest.
Ich verscheuchte die Gedanken an längst vergangene Zeiten. Es waren zwar erst wenige Wochen, doch es kam mir vor, wie ein anderes Leben. Ein Leben, das so fremd erschien. Früher hatte ich alles, was ich wollte. Beliebtheit, Freunde, Geld und Jareth. Alles hatte sich für mich verändert.
Ich widmete mich wieder meinem Auftrag und sah mich in dem kleinen Zimmer mit der Dachschräge um. Wellen von Enttäuschungen waberten durch meinen Körper. Hier war nichts. Wieder nichts.
Dann sah ich die Tür.
Sie war angelehnt und ein schmaler Lichtstreifen fiel durch sie auf den Boden. In dem Schein tanzte Staub umher, den ich wohl aufgewirbelt hatte.
Ich wusste nicht, ob ich wissen wollte, was sich hinter dieser Tür befand. Doch es musste sein.
Ich biss die Zähne zusammen.
Plötzlich spürte ich eine Hand auf meiner Schulter. Ein Schauer schoss mir wie ein Blitz den Rücken hinab.
Langsam drehte ich mich um. Sein Anblick versetzte mir einen Schlag. Ich betrachtete sein so fremd wirkendes und dennoch vertrautes Gesicht.
Eine schmale, gerade Nase, dichte, dunkle Brauen. Ein Blitzen von Zynismus in seinen Augen und um seinen Mundwinkel. Er sah mich an mit seinem Ich-Weiß-Alles-Lächeln.
»Ich hasse dich!« zischte ich als ich meine Sprache wiederfand. Es war das erste was mir einfiel. Auf seinem Gesicht machte sich ein spöttisch Grinsen breit. »Was ist mit der netten Vertrautheit von früher, Alexandra?«
Ich hasste es, dass er mich so nannte, dass er mich ansah und mit mir spielte, wie mit einem verängstigten Häschen.
Ich versuchte Fassung zu bewahren. »Mit Mördern fühle ich mich nicht vertraut.«
Er sah mich kühl von oben bis unten an und zuckte die Schultern. Sein Blick kehrte zu meinem Gesicht zurück. Plötzlich wirkte er erschöpft. Oder bildete ich mir das ein? »Geh einfach durch diese Tür, Alex.«
Widerwillig drehte ich mich zu der Tür um. Sah sie mir genau an.
Sie war aus dunkler Eiche, mit Verzierungen. In dem dunklen Türschloss steckte ein Schlüssel. Langsam trat ich vor. Streckte meine Hand nach dem Schlüssel aus. Langsam. Um Zeit zu gewinnen. Ich spürte Jareth hinter mir und obwohl ich ihn hasste, verlieh seine Gegenwart mir Ruhe. Und Sicherheit.
In dem Moment als ich den Schlüssel berührte, passierte etwas. Als hätte man einen CD-Player auf Stopp gedrückt, dann das Volumen voll aufgedreht und auf Play gedrückt.
Eine unglaubliche Lautstärke an Lärm schoss auf mich zu und schloss mich ein.
Vor Schreck zuckte ich zurück und ließ dabei den Schlüssel los. Er fiel klirrend auf den Boden. Augenblicklich hörten die Geräusche auf und ließen eine Stille zurück, die fast noch beängstigender und erschreckender war als der Lärm zuvor.
Nur unsere beiden Atem waren zu hören. Beängstigend.
Ich bückte mich um den Schlüssel aufzuheben, als ich einen eisigen Lufthauch bemerkte. Ganz sacht an meinen Fingern. Er kam unter der Tür her.
Ich keuchte und die Angst war schlagartig wieder da. Was war hinter der Tür? Was erwartete uns dort?
Ich packte mein letztes Bündel Mut zusammen, steckte den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn um. Versuchte die Geräusche auszublenden.
Die Tür schwang mit einem Knarren auf. Eine Wand aus durcheinanderwirbelnden Schnee ließ mich für einen Augenblick blind werden.
Hinter der Tür war ein Sturm. Schneeflocken wirbelten durcheinander und brachten eine Kälteflut mit sich.
Sofort war es in dem Raum eiskalt. Ich fing an zu zittern und spürte wie Jareth mir eine Jacke über die Schultern legte. Seine Lederjacke gab er sonst niemanden. Dankbar sah ich ihn an, wobei mit Schneeflocken in meinen Wimpern die Sicht vernebeln. Er sah mich nicht an, sondern schob sich an mir vorbei durch die Tür.
»Jareth! Warte...« wollte ich ihm nachrufen, doch nur ein Flüstern kam über meine Lippen.
Mir war so kalt... Eiskalt.
Mühsam kämpfte ich gegen den Wind an und schob mich vorwärts. Ich durfte Jareth nicht aus den Augen verlieren, obwohl er nur noch ein dunkler Schemen gegen das Weiß war. Ich stapfte näher heran und ärgerte mich darüber, das ich Ballerinas angezogen hatte. Meine Füße waren schon nass und froren ein. Mein Atem bildete kleine weiße Wölkchen. Plötzlich merkte ich, dass sich der Schemen beim Näherkommen als ein Baum entpuppte. Wütend darüber, dass ich anscheinend so dumm war, einen Baum nicht von einem Menschen unterscheiden zu können, trat ich gegen den Baum.
»Die Säule kann dafür doch auch nichts.« hörte ich Jareth hinter mir sagen.
Ich drehte mich um und sah, dass Jareth sich gegen das lehnte, was ich für einen Baum gehalten hatte, in Wirklichkeit aber eine Säule war.
Ich fragte mich, was eine Säule hier machte.
Jareth erriet wohl meine Gedanken, denn er meinte: »Ich glaube, dass wir in den Ruinen sind.«
Ich hielt den Atem an. Die Ruinen! Wieso war ich da nicht gleich drauf gekommen?
Die Ruinen lagen außerhalb der Stadtmauer und waren somit das einzigst absolut Verbotene. Wollte man sterben, musste man einfach nur über die Mauer klettern und erwischt werden. Dann wurde man getötet.
Niemand wusste, warum es so verboten war, es war einfach Gesetz und wehe dem, der nachfragte! Das war fast so schlimm wie in den Ruinen sein.
»Aber wieso sind wir in den Ruinen? Das Haus liegt doch Meilen entfernt!«
»Teleportation.« sagte er schlicht.
Plötzlich hörte ich ein Geräusch. Erschreckt sprang ich zurück.

Zur nächsten Einsendung

Autorin / Autor: Marie-Sophie, 13 Jahre - Stand: 15. Juni 2010