Eine Angelehnte

Einsendung zum Schreibwettbewerb "Eine angelehnte Tür" von Beltz & Gelberg und LizzyNet

Guten Tag! Ich weiß nicht, ob Sie’s ahnen, aber das hier ist eine fabelhafte Geschichte. - Nein, kein Zeitungsartikel der Frankfurter Allgemeinen! Es ist eine ganz normale Geschichte, die von einem Mann und einer Frau handelt. Aber zuerst einmal von einem Mann, und dieser hieß Herr Thür.

Herr Thür wohnte in Lübeck, und zwar in der Klinkenstraße Nummer 32. Er lebte ganz allein in einem Penthouse. Das Einzige, was Herr Thür immer bei sich hatte, war ein Schlüssel. Wozu dieser Schlüssel diente, das wusste er nicht. Doch eines wusste Herr Thür auf jeden Fall: Dass er ein Lieblingscafé hatte. Der Name dieses Cafés war etwas unglücklich: „Zum verschlossenen Grab“.

Eines abends, als er vom Café zurückkam, traf Herr Thür eine junge Dame auf der Straße. Sie hatte langes braunes Haar und trug einen lila Anzug. Die Dame ging geradewegs auf Herrn Thür zu und fragte: „Entschuldigen Sie, kennen Sie den Weg zum Friedhof?“ Herr Thür fragte spöttisch zurück: „Was wollen Sie denn auf dem Friedhof? Sie sind doch etwas zu jung, um den Löffel abzugeben.“ Die Dame hob beleidigt die Nase und ging wortlos an Herrn Thür vorbei. Der wird noch sein blaues Wunder erleben, dachte sie. Doch dieser streckte nur frech hinter ihrem Rücken die Zunge heraus, lief schnurstracks nach Hause und trank drei Aspirin, natürlich in Wasser aufgelöst.

Am nächsten Tag, als Herr Thür auf dem Weg zu seinem Café war, traf er die Dame wieder auf der Straße. Welch ein Zufall! Dieses Mal trug sie einen roten Anzug. „Na“, sprach Herr Thür die Dame keck an, „Sie haben ja doch nicht den Löffel abgegeben.“ „Ach, seien Sie bloß mal leise“, erwiderte die Dame und sah dabei so traurig aus.
„Was haben Sie denn eigentlich vorgehabt?“, wollte Herr Thür nun wissen.
„Interessiert Sie das wirklich?“
Herr Thür nickte heftig.
„Also, meine Großmutter ist vor einer Woche gestorben. Deshalb wollte ich sie besuchen und war gestern auf dem Friedhof.“
„Ach so“, Herr Thür räusperte sich.
„Und jetzt“, meinte die Dame, „würde ich gerne ein wenig ausspannen. ... Wissen Sie, ob es hier in der Nähe ein Café gibt?“ „Sie stehen davor“, erwiderte Herr Thür. „Ach so“, bemerkte die Dame, „wollen wir hineingehen?“ -
„Sicher, sicher.“

Sie gingen hinein und setzten sich hin. Herr Thür erzählte viel von sich und die Dame hörte ihm zu. Es wurde Abend. Sie verließen das Café. Die Dame wollte gerade die Straße hinuntergehen, da rief Herr Thür ihr zu: „Übrigens, mein Name ist ,Thür’ “. Darauf die Dame: „Und ich bin Fräulein Angelehnte“. Da wurde Herr Thür neugierig: „Ein schöner Name. Wie heißen Sie denn mit Vornamen?“ -
„Eine.“
Von nun an trafen sich Herr Thür und Fräulein Angelehnte jeden Tag im Café. Und eines Tages beschlossen sie zu heiraten. Fräulein Angelehnte besaß eine Villa, in der sie jetzt wohnten. Übrigens: Herr Thür und Fräulein Angelehnte kombinierten ihre Nachnamen. Und so hieß dieses Pärchen: „Angelehnte-Thür“.
Nach vielen Jahren bemerkte Herr Thür, dass sich in der Villa ein knorriger alter Schrank befand, der immer offen stand. Kein Problem, denn er hatte ja noch seinen Schlüssel.

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Autorin / Autor: Joubin, 13 Jahre - Stand: 14. Juni 2010