Freundschaft als Schlüssel für eine geschlossene Tür

Einsendung zum Schreibwettbewerb "Eine angelehnte Tür" von Beltz & Gelberg und LizzyNet

~h2~Ein Maler malte einmal ein Bild. Dieses Bild stellte eine Tür da, eine Tür ohne Türgriff. Bei einer Ausstellung stellte er mitunter das Bild mit der Tür aus. Ein vorübergehender Mann blieb stehen und betrachtete das Werk des Malers. Dann fragte er: „Was soll das sein?“. Der Maler antwortete: „Eine Tür“. Der Mann begann zu lachen, aber der Maler blieb ernst. „Fällt ihnen denn gar nicht auf, dass der Türgriff fehlt?“. „Diese Türe braucht keinen Türgriff. Das ist die Türe des Herzens, sie lässt sich nur von innen öffnen“, antwortete der Maler.~

Das ist Lena, sie ist 16 Jahre alt und ich kenne sie seit dem Kindergarten. Wir haben immer alles gemeinsam gemacht und waren immer füreinander da. Bis jetzt. Jetzt ist Lena anders. Früher war sie ein lustiger und offener Mensch, aber nun sehe ich sie nicht mehr lachen und sie spricht kaum noch mit mir. Sie verhält sich seit drei Monaten so. Vor drei Monaten war der schreckliche Autounfall bei dem sie ihre Mutter und ihre kleine Schwester verlor. Es ist keiner mehr da, dem sie vertraut, nicht einmal mehr mir oder ihrem Vater. Ihre Herzenstüre hat sich nach dem Unfall komplett geschlossen und oft scheint es unmöglich diese Tür jemals wieder zu öffnen.

Da ihr Vater große Probleme mit seiner Arbeit und mit den Verlusten seiner Frau und seiner Tochter hat, wohnt Lena vorübergehend bei ihrer Tante. Doch auch fernab von all den schmerzhaften Erinnerungen an ihre Mutter und ihrer Schwester kann sie ihren Schmerz nicht vergessen. In der Schule kommt Lena nun häufig zu spät, macht keine Hausaufgaben mehr und schreibt nur noch schlechte Noten. Die Lehrer und Schüler wissen natürlich alle was passiert ist, aber trotzdem können sie nicht damit umgehen. Rücksichtslose Bemerkungen von anderen Schülern verletzten sie sehr.

Irgendwann wusste ich, dass wir ihr helfen mussten, denn alleine würde Lena es nie schaffen wieder sie selbst zu sein. Lange Zeit überlegte ich, wie ich ihr helfen könnte und irgendwann hatte ich eine Idee. Ich würde sie an all das erinnern, was wir gemeinsam getan haben. Ich werde mit ihr alles noch einmal machen, um ihr zu zeigen, dass das Leben lebenswert ist.

Als erstes lud ich sie ins Kino ein, in eine Komödie, die wir uns früher sehr gerne angesehen haben. Aber diesmal hat sie nicht ein einziges Mal gelacht. Plötzlich begann ich zu zweifeln, ob ich ihr überhaupt helfen kann, aber bald schon waren die Zweifel verflogen, denn ich habe sie zum Lächeln gebracht. Lena und ich waren zusammen im Freibad, als ich diesen ersten Treffer erzielte. Wir hatten uns gerade umgezogen und sind in Richtung unseres Stammplatzes gegangen, als ich mich absichtlich ins Becken fallen ließ, um mich von einem der süßen Bademeister wieder rausholen zu lassen. Früher haben wir das jedes Mal gemacht und wir mussten beide immer sehr lachen. In mir begann das kleine Flämmchen der Hoffnung, die alte Lena wieder zubekommen, wieder zu lodern. Ich habe das Gefühl, dass es Lena seit dem Vorfall im Freibad besser geht, das sie anfängt ihre Herzenstür zu öffnen.

Zwei Wochen später erreiche ich mein nächstes Ziel. Ich habe Lena in die Dönerbude gebracht, wo sie ihren ersten Döner gegessen hat. Sie hat gelacht als wir aus dem Bus gestiegen sind und ich sie auf einen Döner eingeladen habe. Meine Hoffnung ist nun sehr groß, dass sich Lenas Herzenstür wieder ganz öffnen wird.

Es ist nun ein Monat verstrichen und Lenas Herzenstür hat sich einen Spalt weit geöffnet. Sie ist  nun an einem Punkt angekommen, an dem sie bemerkt hat, dass ich sie nicht im Stich lasse und alles tun werde um sie aus ihrem Selbstmittleid zu befreien.

Das letzte geplante Ziel war der Baggersee, in dem Lena und ich nie geschwommen sind, weil wir uns als Kinder eingeredet haben, dass in diesem See ein Seeungeheuer lebt. Wir haben uns immer nur an den Strand gesetzt und den anderen beim Schwimmen zu gesehen. So auch heute. Wir sitzen nebeneinander auf der Picknickdecke und sehen auf den See hinaus, als Lena plötzlich „Danke“ zu mir sagt.

Ich weiß nun genau, dass Lena verstanden hat, was ich will und ich habe sie so weit wie möglich auf ihrem Weg zur „offenen Herzenstür“ begleitet, doch die angelehnte Tür ihres Herzens, kann ich nicht für sie öffnen. Das muss sie ganz alleine schaffen.

Ich weiß jedoch, dass sie es schaffen wird.

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Autorin / Autor: Hannah, 14 Jahre - Stand: 14. Juni 2010