Selbsterkenntnisse eines neurotischen Individuums

Einsendung zum Schreibwettbewerb "Eine angelehnte Tür" von Beltz & Gelberg und LizzyNet

Neurotisch ist ein sehr beschreibendes Wort, wenn es sich um meine Wenigkeit handelt. Ja, ich gehöre zu den Stadtneurotikern mit der Neurose, dass der Alltag - ein unüberwindlicher Part unseres Lebens - die Strafe für unsere Gabe, das Denken, ist.
Mit diesem Gedanken geprägt bin ich ein recht gelangweilter Mensch geworden. Meine Mimiken und Gestiken lassen sehr wenig erschließen.
Besonders mein Gesicht bleibt meistens von Gefühlsregungen verschont, was dazu geführt hat, dass ich als kalte Person gelte. Mein Status als "Eisenherz" möchte ich nicht verfechten noch erläutern. Ich bin es lediglich leid, mich vor mir selbst ständig zu rechtfertigen, denn das verlangt mir viel Kraft ab, die ich im Laufe eines Tages voller Wiederholungen oder eine andere Auslebung der Wiederholung also ein hinkender Abklatsch der Wiederholung eines bereits durchlebten Tages ist. Diese fortwährende Monotonie erzeugt Müdigkeit, die ich auch nach ausgiebigem
Schlafen nicht loswerde. Durch diese nicht abschüttelbare Müdigkeit und auch wegen der Tatsache, dass es wenig wirklich eloquente Gesprächspatner gibt, bin ich nicht sonderlich gesprächig. Jedoch lasse ich mich ab und an gehen und rede, da es einfacher ist, denn im Moment des Schweigens ist mir das Leben und die damit verbundene Eingängigkeit zu deutlich. Deshalb, obwohl mir die Einfachheit verhasst ist, rede ich ab un an ohne Inhalt
und Punkt. Das Ablenken meiner Selbst könnte man als Schwäche oder als Stärke interpretieren. Ich allerdings lege sie weder so noch so aus, nicht, weil ich mir etwas nicht eingestehen oder etwa zugestehen kann, sondern weil ich es als Notwendigkeit betrachte. Was würde es mir bringen über eine Notwendigkeit zu urteilen? Ich reiße mich nicht außerordentlich um Selbsterkenntnisse. Stattdessen nutze ich meine kognitiven Fähigkeiten lieber zum
Aufdecken der Eintönigkeit in meinem ach so bunten Leben. Vielleicht ist dies nicht die schöpferischste Art und Weise die Zeit zu verwenden, aber ich neige sowieso zur Kontraproduktivität. Ich bin wie eine angelehnte Tür. Eine angelehnte Tür ist weder ganz offen noch geschlossen oder gar
geschlossen und verschlossen, somit erfüllt sie weder Sinn noch Zweck. In der Tat ist das der kurioseste Zustand einer Tür und zugleich der fragwürdigste, genau wie meine Existenz, so viel zu Selbsterkenntnissen.

Zur nächsten Einsendung

Autorin / Autor: Vivien, 15 Jahre - Stand: 25. Mai 2010