Freak – Seltsamer Tod

Einsendung zum Schreibwettbewerb "Eine angelehnte Tür" von Beltz & Gelberg und LizzyNet

„Mum?“, ich steige die Wendeltreppe zum 1. Stock hinauf. Ich komme gerade von der Schule und suche meine Mum. „Muumm?“, ich rufe in alle Richtungen. „Alice? Ich bin hier im Schlafzimmer“, ruft Mum. Ich gehe Richtung Schlafzimmer und öffne zaghaft die Tür. Etwas kleines, weißes fällt auf den Boden, es kommt von der angelehnten Tür. Ich hebe es an und falte es auf. Der kleine, weiße Zettel ist ein bisschen beschmutzt und nicht mehr ganz so strahlend weiß wie frisches Papier. Aus Zeitungspapier ausgeschnittene Buchstaben kleben auf dem Zettel.

Es steht: Ellie ist nicht verschwunden. Komm heute, um 22.00 Uhr zur Markthalle. Komm alleine oder du wirst deine Mutter und deine Geschwister nie wieder sehen.

Eiskalt läuft es mir den Rücken hinunter. Angst. Schon wieder spüre ich sie, genau wie heute Morgen und am Mittag in der Schule als der Platz neben mir leer war. Neben mir sitzt normal Ellie, doch heute wusste niemand, wo sie war. Ich dachte, sie wäre vielleicht krank. Jetzt war alles anders. Ich stehe unter Schock. Ich verkrampfe mich und erstarre. „Alice?“, Mum ruft leise aus dem Zimmer. „Ja Mum, ich komme“, ich gehe ins Zimmer hinein und setzte mich auf die Bettkante ihres hölzernen Bettes. „Und, wie war’s in der Schule?“, fragt sie mich mit einem frohen Ausdruck im Gesicht. „Ganz gut“, log ich. Ich wollte ihr nichts von der Sache mit dem Zettel und Ellie erzählen, sonst kam sie womöglich noch in Schwierigkeiten. „Wo ist Max?“, frage ich. Max ist mein kleiner Bruder. Er hat braune Haare und große, braune Rehaugen, genau wie ich. Ich kann nur hoffen, dass dieser Entführer sich Max noch nicht geschnappt hat. „Der ist bei Linus, seine neues Piratenschiff ausprobieren. Max war ganz aufgeregt“, Mama lächelt. Ich atmete einmal leise aber kräftig aus. Wenigstens geht es Max gut. „Geht`s wieder mit deinem Kopfweh?“, frage ich. „Ja, ich hab` zwei starke Tabletten geschluckt, jetzt geht’s wieder“, Mum nickt. „Na dann mache ich mal meine Hausaufgaben“, sage ich und stehe auf.

Ich schleife meine Schultasche in mein Zimmer und packe die Mathebücher zum pauken aus. Ich kann mich gar nicht richtig konzentrieren, weil ich immer an Ellie und den geheimen Zettel denken muss. Welcher grausame Mensch hat diesen Zettel geschrieben? Warum Ellie? Warum gerade sie, meine beste Freundin? Ich zermartere mir den Kopf, wie ich Ellie und somit auch meine Mutter und Max aus diesem schrecklichen Teufelskreis befreien kann. Ich verbringe die restlichen sechs Stunden bis 22 Uhr mit pauken, was allerdings nicht viel bringt, bei meinen Sorgen. Um 22.00 Uhr gehe ich unter dem Vorwand aus dem Haus, dass ich noch kurz frische Luft schnappen gehe und in einer Stunde zurück sein würde. Ich schnappe mir mein Fahrrad und sause so schnell ich kann Richtung Stadtkern. Mein Fahrrad scheppert über das holprig gelegte Kopfsteinpflaster und ich werde kräftig durchgerüttelt, was meinem Bauchgefühl noch mehr Unsicherheit gibt. Ich stelle mein Fahrrad hundert Meter vor der Markthalle an einer Ecke ab und gehe mit zittrigen Beinen Richtung Halle. Vor dem Eingang sehe ich niemanden, also warte ich. Ich warte etwa fünf Minuten als ich hinter mir etwas höre. Ich drehe mich um, doch dann drückt sich schon eine Hand auf meinen Mund. Ich versuche zu schreien, doch es kommen nur erstickte Laute hervor. „Pssst“, sagt der, der mir den Mund zuhält. „Du brauchst keine Angst zu haben. Gib mir, was ich will und Ellie, deine Familie und du sind frei.“, langsam löste sich die Hand von meinen Lippen und ich schnappe nach Luft. „Was? Was willst du?“, frage ich den, wie ich jetzt erkenne, schwarz gekleideten, maskierten Mann. „Sag mir, warum sie dass damals getan hat!“, der Mann flüstert die letzten Worte und zieht seine Maske von seinem Gesicht. „Ich… ich…“, ich erkenne den Mann. Sebastian. Der Ex-Freund meiner Mutter. „Hör zu: Mum hatte keine Lust mehr auf dich! Du hast sie gequält! Du wolltest sie kontrollieren. Sie konnte nicht mehr aus dem Haus, ohne dir zu sagen wohin sie geht. Sie konnte keine SMS und keine Mail verschicken, weil du sie immer erst lesen wolltest! Sie hatte dich einfach nur satt.“, ich bin erstaunt über meine schnelle Antwort. Sebastian schweigt. „Du bist nie hier gewesen. Du hast mich nie mehr gesehen. Dieses Gespräch hat nie stattgefunden“, sagte er nach einer Weile. Dann verschwand er in der dunklen Markthalle und kam nach einer Weile mit einem großen Leinensack zurück. Er legte ihn vor mir ab und ging. Leise flüstere ich: „Freak“. Ich öffne den Sack und sehe Ellie. Ihre starren Augen blicken mich leer an. Ich schließe ihre Augen, in dem ich mit der Hand sanft über ihre Lider streiche. Ich kann nicht verstehen, warum Sebastian Ellie getötet hat. Das macht alles keinen Sinn. Ich sacke zusammen und mein Kopf schlägt auf den feuchten Asphalt. Ich weine. Weine über Ellies seltsamen Tod.

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Autorin / Autor: Nixe, 12 Jahre - Stand: 17. Mai 2010