"Es macht einfach super viel Spaß zu grübeln"

Ein Interview mit der Informatik-Professorin Dr. Erika Abraham über hybride Systeme, Frauen in der Informatik und Träume, die sich Mädchen erfüllen sollten

Prof. Dr.rer.nat. Erika Abraham

Seit Oktober 2008 leitet Prof. Dr. Erika Abraham als Juniorprofessorin für Informatik die neue Nachwuchsgruppe "Theorie der hybriden Systeme" im Lehr- und Forschungsgebiet Informatik 2 an der RWTH Aachen. Wir haben mal nachgefragt, was sie eigentlich in ihrem Beruf macht und was sie Mädchen empfiehlt, die auch Informatik studieren möchten.

*Hybride Systeme - Was bedeutet das genau - für Laien erklärt?*
Hybride Systeme sind diskret (zum Beispiel durch Computer) gesteuerte physikalische Systeme. Sie sind haufenweise in unserer Umgebung zu finden. In modernen Fahrzeugen sind jede Menge diskrete Kontroller-Einheiten eingebaut. Viele programmierbare Haushaltsgeräte, die wir so schätzen, gehören auch dazu. Ein einfacheres hybrides System ist ein Thermostat, der durch einen Sensor die Heizung ein- und ausschaltet.

Solche Systeme werden oft in kritischen Bereichen eingesetzt, in denen die Korrektheit und Zuverlässigkeit der Systeme sehr wichtig ist. Um sie zu gewährleisten, müssen wir die hybriden Systeme mathematisch beschreiben (modellieren) und mit formalen Methoden untersuchen (analysieren). Die Entwicklung von Algorithmen und Programmen, die dies tun, ist das Hauptforschungsthema meiner Gruppe.

Erika Abraham über das Informatikstudium:

"Viel wichtiger als faktisches Wissen ist aber die Fähigkeit logisch und formal zu denken, sich in ein neues Gebiet selbständig ein zu arbeiten, und zu wissen, wo man etwas am besten nachschlägt."

Haben Sie darüber schon im Studium etwas gelernt?

Zwar nicht konkret über hybride Systeme, die doch sehr spezifisch sind, aber wohl generell über Methoden zur Modellierung und Analyse. Eigentlich waren aber die Inhalte meines Studiums nicht maßgebend für meine Entscheidung bezüglich eines Forschungsgebiets. Nach dem Studium profitiert man zweifellos viel vom Fachwissen, das man sich während des Studiums angeeignet hat. Viel wichtiger als faktisches Wissen ist aber die Fähigkeit logisch und formal zu denken, sich in ein neues Gebiet selbständig ein zu arbeiten, und zu wissen, wo man etwas am besten nachschlägt.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Informatik zu studieren. Das ist ja für Frauen eher ungewöhnlich.

Das stimmt, Frauen sind in der Informatik nicht gerade in Überzahl. Ich habe meine Kindheit bis zum Abitur in Ungarn verbracht, und in meiner Schule war es natürlich, dass auch Mädchen sich für Technik und Jungs sich zum Beispiel fürs Kochen interessiert haben. Wir haben damals in Technik noch auf Commodore64 programmiert, und das hat mir sehr gut gefallen.

Auch Mathematik hat mir immer viel Spaß gemacht, und zu meinem Glück wusste ich, was viele Mädchen leider nicht wissen: nämlich, dass Informatik nicht aus Hacken und Rechner reparieren besteht, sondern viel viel bunter ist. Wer Mathematik mag, findet in der theoretischen Informatik spannende mathematische Spiele. Es gibt sogar Informatiker, die gar nichts mit Computer zu tun haben, sondern den ganzen Tag herausfordernde mathematische Rätsel lösen. Das aber natürlich nicht nur zum Spaß: die Lösungen weisen den Weg für die technische, praktische und angewandte Informatik. Wer gerne programmiert, könnte zum Beispiel in der Softwaretechnik Anschluß finden. Datenbanken, eingebettete Systeme, künstliche Intelligenz, Sprachverarbeitung, Mustererkennung, virtuelle Realität, Computergrafik, Multimedia, Rechnerarchitektur, Kommunikationstechnik, IT-Sicherheit, Compilerbau, Hochleistungsrechnen,... jeder kann für sich in den zahlreichen Gebieten etwas Spannendes finden.

Wie sieht denn eigentlich ein Tagesablauf einer Professorin aus?

Schon etwas stressig, denn ich bin nicht nur berufstätig, sondern habe auch noch zwei tolle Kinder. Aber die Kinder und der Beruf machen beide so viel Spaß, dass ich meistens über den Stress hinwegsehe, und mich auf die positiven Dinge konzentriere.
Einen Muster-Tagesablauf habe ich nicht. Wenn nichts besonderes anliegt, kann ich auch teilweise zu Hause arbeiten. Wenn mich etwas fasziniert, arbeite ich manchmal bis in die Nacht, und wenn die Kinder nicht in die Schule müssen und ich keine Termine habe, kann ich am nächsten Tag dafür auch ausschlafen.
In der Lehre halte ich Vorlesungen für Studenten, oder betreue sie im Rahmen eines Seminars. Das mag ich besonders dann, wenn das Thema die Studenten interessiert und sie intensiv mitmachen. Ein anderer wichtiger Punkt ist die Forschung. Meine Gruppe, das sind meine Doktoranden und ich, suchen ständig nach neuen Methoden, die bestimmte bisher ungelöste Probleme lösen. Das ist sehr interessant, vor allem wenn die neue Methoden nicht nur in der Theorie, also in der Mathematik, funktionieren, sondern sich auch in der Praxis einsetzen lassen. Neben Forschung und Lehre gibt es auch viel Organisatorisches, das zwar keiner gerne macht, das aber notwendig ist, damit alles reibungslos funktioniert.

Was macht Ihnen persönlich an meisten Spaß an Ihrer Arbeit?

Die Forschungsfreiheit und die Forschungsinhalte. Es macht einfach super viel Spaß zu grübeln, miteinander zu diskutieren, oder sich mit anderen im Wettbewerb messen zu lassen.

Und was gefällt Ihnen manchmal gar nicht?

Manchmal, wie zum Beispiel am Anfang eines Semesters, nimmt das Organisatorische überhand, so dass man kaum noch Zeit für die Forschung hat.

Über Frauen in der Informatik

Frauen und Männer ergänzen sich gut in ihrer Denkweise!

Sind Sie als Frau in der Informatik besonderen Bedingungen ausgesetzt? Werden Sie von männlichen Kollegen und Studenten genauso akzeptiert wie die männlichen Kollegen, oder bemerken Sie auch schon mal Unterschiede?

In der Regel empfinde ich keine Unterschiede. Nur ganz selten hatte ich das Gefühl, dass ich als (auch noch kleine und schlanke) Frau nicht so ernst genommen wurde wie meine männlichen Kollegen. Aber meistens habe ich den Eindruck, dass die Männer es ausdrücklich gut heißen würden, mehr Frauen unter sich zu haben. Frauen und Männer ergänzen sich gut in ihrer Denkweise, haben unterschiedliche Ideen, und auch für das soziale Miteinander ist eine ausgewogene Mischung der Geschlechter förderlich. Um das zu realisieren, fehlen nur noch die Frauen, die in die Informatik kommen wollen!

Sie waren beim LizzyNet-Workshop IT sucht ID als Referentin eingeladen und haben die Mädchen dabei unterstützt, eine Imagekampagne für die IT-Berufe zu entwickeln. Wie kann man Ihrer Meinung nach mehr Mädchen für ein Informatikstudium begeistern?

Indem man ihnen erklärt, was Informatik ist. Ich glaube, dass viele Mädchen es gar nicht erst erwägen, Informatik zu studieren, weil sie ein falsches Bild von den Inhalten der Informatik haben. Wenn ich zum Beispiel jemandem erzähle, das ich Informatikerin bin, werde ich oft gefragt, ob ich den Drucker reparieren, mit einer Office-Anwendung weiterhelfen oder den Internetanschluss einrichten könnte. Und die meisten Menschen schauen sehr überrascht, wenn ich sage, dass das mit dem Fach Informatik nicht viel zu tun hat. Ich kann das zwar teilweise auch, aber das alles ist nur ganz am Rande der Informatik.

Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?

Ich möchte meinen Beruf als Juniorprofessorin gerne bald als Professorin weiterführen.

Wollen Sie den Mädchen auf LizzyNet noch einen Satz mit auf den Weg geben?

Traut euch, Informatik zu studieren, und es wird Euch Spaß machen!

*Vielen Dank für Ihre spannenden und aufschlussreichen Antworten!*

Autorin / Autor: Rosi Stolz/ Prof. Dr.rer.nat. Erika Abraham - Stand: 26. November 2009