Landwirtschaft hoch hinaus
Vertical Farming kann mehr als nur Salat. Der Anbau von Lebensmitteln in "Hochhäusern" bietet höhere Erträge und geringere Umweltauswirkungen, sagt eine aktuelle Studie.
Unsere Lebensmittelversorgung, die bislang hauptsächlich auf traditionellem landwirtschaftlichem Wege entsteht, stößt unter bestimmten Bedingungen (z.B. Klimawandel) immer öfter an ihre Grenzen. Extreme Wetterereignisse, immer weniger fruchtbare Flächen, oder auch eine größere Nachfrage durch steigende Bevölkerungszahlen sind nur einige Beispiele. „Vertical Farming ist hier eine wertvolle Ergänzung: Lebensmittel können verbrauchernah, wetterunabhängig und platzsparend angebaut werden“, erklärt Dr. Vanesa Calvo-Baltanás. Sie arbeitet an der Forschungsplattform TUMCREATE in Singapur und leitet eine Studie zum Thema Vertical Farming, einer neuen Form von Lebensmittelanbau in "Hochhäusern", der bislang nachgesagt wurde, dass sie zwar umweltfreundlich, aber nur für ganz wenige Gemüsesorten geeignet sei.
Eins der ersten Ergebnisse der Studie zeigt aber: Vertical Farming kann mehr als nur Salat. Das Forschungsteam von TUMCREATE hat den Anbau von sechs Lebensmittelgruppen im Vertical Farming untersucht: Nutzpflanzen, Algen, Pilze, Insekten, Fisch und kultiviertes Fleisch. In der Studie zeigen die Forschenden die positiven Auswirkungen, die Vertical Farming sowohl auf den Ertrag als auch auf verschiedene Umweltfaktoren hat und betonen die Rolle von Vertical Farming für die Ernährungssicherung.
Urbane Lebensmittelproduktion mit Proteins4Singapore
Die Studie betrachtet sechs Lebensmittelgruppen in einem vertikalen Anbausystem mit zehn Schichten: Nutzpflanzen, Algen, Pilze, Insekten, Fisch und kultiviertes Fleisch. Im Vergleich zu Getreide vom Feld können die untersuchten Lebensmittel den Eiweißertrag pro Fläche fast um das Dreihundertfache und bei Pilzen und Insekten um das über 6.000-fache steigern. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass dieser Anstieg des Gesamt- und Eiweißertrags durch den Anbau unter kontrollierten Bedingungen Vorteile für die Umwelt mit sich bringt: Bei allen Lebensmittelgruppen reduzierte sich der Flächenverbrauch und die Menge an Pflanzenschutzmitteln! Das Team ermittelte theoretische Schätzungen basierend auf zuvor veröffentlichten experimentellen Daten.
Die Forschungsarbeiten wurden im Rahmen des Projekts Proteins4Singapore durchgeführt, dessen Ziel es ist, nachhaltige und funktionelle Proteine für die Versorgung urbaner Gebiete wie Singapur zu erforschen. Der Stadtstaat will bis 2030 30 Prozent des eigenen Nahrungsmittelbedarfs vor Ort produzieren. Die Ergebnisse der Studie bestätigen, dass Vertical Farming ein ressourceneffizienter Teil dieser Strategie sein kann.
Pilze und Insekten sind im Vertical Farming besonders interessant
„Das Potenzial von Vertical Farming ist noch lange nicht ausgeschöpft“, betont Senthold Asseng, Professor für Digital Agriculture an der TUM und Lead Principal Investigator bei TUMCREATE. Laut den Forschenden bietet Vertical Farming neben erhöhten Erträgen noch weiteres Optimierungspotenzial. So könnten Pilze und Insekten dazu dienen, Ressourcenkreisläufe schließen, indem sie die Abfallprodukte anderer Indoor-Kulturen zu essbaren und nahrhaften Lebensmitteln verarbeiten.
Pilze und Insekten sind außerdem Lebensmittel, die in der Produktion wenig Licht benötigen. Lebensmittel dieser Art sind im Vertical Farming besonders interessant, da sie den Energieverbrauch und die damit verbundenen Kosten senken und dadurch den Hauptnachteil des Vertical Farming überwinden.
Akzeptanz und Förderung
Die größten Herausforderungen für derartige Anbausysteme sind laut den Forschenden allerdings der hohe Energiebedarf (Indoor-Anbau in Etagen braucht künstliche Beleuchtung) und die gesellschaftliche Akzeptanz. Bestimmte Lebensmittel, die hier Vorteile bieten, wie zum Beispiel Algen und Insekten, kommen derzeit noch nicht gut an. „Die Landwirtschaft unter kontrollierten Umweltbedingungen kann die Lebensmittelproduktion revolutionieren. Um ihr volles Potenzial auszuschöpfen, sind jedoch technologische Fortschritte, interdisziplinäre Forschung zur Lösung der Energiefragen, politische Anreize und Aufklärung in der Gesellschaft erforderlich“, sagt Dr. Calvo-Baltanás. Mit den Ergebnissen dieser Studie stellt das Team eine Bewertungsgrundlage für Entscheidungsträgerinnen und -träger in Politik, Industrie und Forschung vor, betont die Forscherin. Damit trage die Studie dazu bei, fundierte Entscheidungen für eine nachhaltige Lebensmittelproduktion zu treffen.
Quelle
Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 16. Mai 2025