Anzahl der Klimaskeptiker wird überschätzt
Studie zur "pluralistischen Ignoranz": Die meisten Menschen sind überzeugt vom menschgemachten Klimawandel, glauben aber, die anderen wären es nicht
Gibt es den Klimawandel, bedroht er unsere Existenz und sollten wir uns darüber Sorgen machen? Die meisten Menschen auf der Welt würden diese Fragen mit Ja beantworten. Gleichzeitig glauben aber viele, dass andere nicht so denken, sondern dem menschgemachten Klimawandel eher skeptisch gegenüberstehen. Sie überschätzen die Zahl der „Klimaskeptiker“, und zwar deutlich. Das hat eine aktuelle Studie von Sandra Geiger von der Uni Wien ergeben, die das Thema in ihrer Doktorarbeit untersucht hat. In einem Vortrag hatte der Referent das Publikum gefragt, was sie glaubten, wie viele Menschen dem Klimawandel skeptisch gegenüberstünden. Manche vermuteten 50% Prozent, andere 30 %. Am Ende des Vortrags wurde dem Publikum eine Zahl von 5% präsentiert. Die Forscherin war von dem Unterschied so überrascht, dass sie beschloss das selbst zu untersuchen. Das Phänomen, dass Menschen die Wahrnehmung anderer Menschen so falsch einschätzen, wird in der Psychologie pluralistische Ignoranz (engl. "pluralistic ignorance") genannt.
Geiger und ihre Kolleg:innen haben für ihre Studie über 3.500 Teilnehmende aus 11 kulturell, geografisch und politisch unterschiedlichen Ländern befragt. Sie wollten von den Teilnehmenden wissen, wie sie selbst den Klimawandel einschätzen (findet er statt? ist er menschgemacht?) und was sie glauben, was ihre Landsleute darüber denken (wie viele Menschen in ihrem Land glauben an den Klimawandel und inwieweit halten sie ihn für menschgemacht). Dabei kam, heraus, dass die meisten Menschen den menschgemachten Klimawandel für eine Realität halten, aber denken, dass diese Einstellung weit weniger verbreitet ist, als sie tatsächlich ist.
In allen Ländern gab es hier diese deutliche Lücke. Besonders groß war sie in Brasilien, wo die Zahl der angenommenen Klimaskeptiker 20% höher lag, als Menschen in der Befragung tatsächlich klimaskeptisch geantwortet hatten.
Fehleinschätzung in allen untersuchten Ländern zu finden
Die Forscherin zeigte sich überrascht, dass diese Fehleinschätzung offenbar weit verbreitet ist und glaubt, dass dies auch das politische Klima stark beeinflusst. Denn wenn alle glauben, dass andere den Klimawandel nicht so ernst nehmen, dann sind die möglicherweise auch weniger motiviert, ihre Meinung dazu zum Ausdruck zu bringen oder einen klimafreundlicheren Lebensstil zu verfolgen. Das Forschungsteam versuchte darum auch Strategien dagegen zu entwickeln - etwa indem man den Menschen deutlich vor Augen führt, dass die meisten Menschen denken wie sie. Das hatte allerdings nicht den erhofften Erfolg. Künftige Forschung solle daher untersuchen, welche Art von Botschaften geeignet sind, um diese Fehleinschätzungen zu korrigieren, wünscht sich Geiger. Denn sonst drohe eine Spirale des Schweigens, in der niemand mehr über das Thema sprechen will, weil er glaubt, dass das keinen interessiere.
Ein guter erster Schritt wäre darum, zu reden und seine Meinung zu sagen, ist die Forscherin überzeugt.
Die Ergebnisse der Studie wurden im Fachmagazin Psychological Science veröffentlicht.
Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 16. September 2025