Kapitel 4

Dragosia - Die Macht der Elemente
Ein Fortsetzungroman von Rita Solis


Così piccola e fragile
mi sembri tu e sto sbagliando di più.
Così piccola accanto a me
e fragile o no
ma in fondo sei molto più forte di me!


So klein und zerbrechlich
scheinst du mir, und ich irre mich mehr.
So klein neben mir
und zerbrechlich- oder nicht
aber im Grunde bist du sehr viel stärker als ich!

Piccola e fragile, Drupi


Drago ließ seinen Blick über die Wälder Dragosias schweifen, über die Blumenwiesen, über die Seen und die Flüsse. Er atmete die klare, kühle Luft ein und lauschte dem Vogelgezwitscher und dem Zirpen der Grillen.
Dann schaute er zurück zur Grenze am Dragasischen Wald, wo sich das Tor befand, das in der Welt der Menschen jederzeit zu sehen war, während es in Dragosia nur gelegentlich erschien.
Missfällig dachte er an die Städte der Menschenwelt, die einen großen Kontrast zur Natur Dragosias darstellten. Sie waren abgrundtief hässlich, befand Drago so wie jedes Mal.
Ihre Luft war verschmutzt durch den Smog und die zahlreichen Abgase. Er stellte sich vor, wie die Flugzeuge am Himmel weiße Spuren in der Luft hinterließen, Wolkenkratzer aus dem Boden sprossen wie Unkraut, und Autos mit schwindelerregender Geschwindigkeit über graue, trostlose Straßen rasten.
Drago schnaubte verächtlich. Ich hasse die Menschen, dachte er angeekelt.
Er ging in den Sinkflug und landete geräuschlos auf dem weichen Waldboden. Blätter stoben auf.
Ich sollte mich langsam auf den Weg machen. Ich erwarte schließlich Besuch, überlegte er sich in Gedanken. Das erste der Menschenkinder ist bereits da. Enya.
Sein Zorn verflog, als er an das braunhaarige Mädchen dachte. Er würde sie nicht zum ersten Mal sehen.
Aber sie kann sich nicht erinnern, dachte er, sie war schließlich noch zu klein. Zu jung für die Tat. Zu Hilflos.
Drago rief sich die Bedingungen ins Gedächtnis, unter denen er sie gefunden hatte. Die Trauer und die Schuldgefühle ballten sich mit einem Mal wieder in seinem Bauch zusammen.
Enyas Leben hatte traurig angefangen. Und es würde auch traurig enden. Das wusste er.
Er dachte an ihre Mutter zurück. Ihre Augen leuchteten für einen kurzen Moment in seinem Gedächtnis auf.
Wie so oft fragte er sich, ob sie grün, blau oder grau gewesen waren. Vermutlich eine Mischung aus allem.
Die Worte hallten in seinem Kopf nach, als er in seinen Bau zurückkehrte.
Zu jung… zu klein… zu hilflos…

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