Altmodisch, analog aber echt

Einsendung zum Wettbewerb 2050 - Stadt meiner Träume von delfin007, 17 Jahre

„Einen Guten Morgen am Samstag den 31. März 2050. Es ist 7.40 Uhr“, reißt der Radiowecker Lisa aus dem Schlaf. „Möchten Sie die Wiederholung der 7.30 Uhr Nachrichten hören?“, fährt das Radio fort. „Ja“, murrt Lisa verschlafen. „Welche Themenbereiche interessieren Sie?“, fragt der Wecker. „Internationale Politik“, erwidert Lisa genervt. Manchmal wünscht sie sich wieder ein altes Radio. So eines wie ihre Mutter früher hatte. Damals musste man zwar das hören was gerade gesendet wurde, aber man konnte morgens wenigstens in Ruhe im Bett liegen ohne sich mit seinem Wecker unterhalten zu müssen.
„Gestern trafen erneut einige hundert Flüchtlinge aus den Niederlanden ein. Dort wird durch den Klimawandel der Lebensraum immer knapper, da große Teile des Küstengebietes überschwemmt sind. Die niederländische Regierung kämpft mit großen Dämmen im Inland gegen die Flut an. Doch wenn der Meeresspiegel weiterhin so stark ansteigt, werden selbst diese Dämme nicht mehr ausreichen“
Damit beendet der Wecker seinen Bericht. „Möchten Sie nun Musik hören, oder ihren Terminkalender vorgelesen bekommen?“, will das Radio wissen. „Musik bitte“, sagt Lisa lächelnd. Ihre Termine braucht ihr heute keiner vorlesen. Seit eineinhalb Wochen freut sie sich auf heute, denn in einer Stunde würde sie Simon zum ersten Mal treffen. Sie kennt ihn bisher nur vom Schreiben, denn er besucht ihre Klasse. Wobei man besucht eigentlich nicht sagen kann, denn seit 2037 werden alle Schüler digital unterrichtet und sitzen zuhause vor ihren Computern. Sie können die Aufgaben lösen, die ihr Lehrer in das Klassenforum stellt und wenn sie Fragen haben können sie mit ihm skypen, oder sich an Mitschüler wenden, die das Thema verstanden haben. So hat sie Simon kennengelernt, denn er ist ein echtes Ass in Chemie, im Gegensatz zu ihr. Irgendwann haben sie auch über andere Dinge als Chemie geschrieben und festgestellt, dass sie beide gerne ihre Freizeit draußen verbringen. Im Gegensatz zu den meisten Menschen ziehen sie die Natur den künstlichen Indoor Parks mit Dauersonnenschein oder den Fitnessstudios mit Alpenpanorama vor.

Voller Vorfreude springt Lisa aus dem Bett und zieht die von ihrem Roboter „Timmy“ bereit gelegten Klamotten an. Ihre Mutter meint immer sie fände es langweilig nicht mehr selbst entscheiden zu können was sie anzieht, doch Lisa findet es sehr praktisch, denn Timmy weiß wie das Wetter ist und legt ihr passende Klamotten hin. Leider ist Timmy noch eine alte Version, weil ihre Eltern nicht so viel von der modernen Technik halten. Die neuesten Roboter können sogar Frisuren flechten und einfache Gerichte kochen. So muss sie sich selbst frisieren und bindet sich die Haare kurzentschlossen zu einem Pferdeschwanz zusammen. Dann schnappt sie sich ihren Rucksack und rennt alle 22 Stockwerke in Rekordzeit nach unten. Obwohl die Lifte in den bis zu 50 stöckigen Hochhäusern extrem schnell sind, zieht sie es vor die Treppen zu nehmen - zumindest wenn es nach unten geht. Unten angekommen geht sie in die Garage, in der es nur so surrt. Überall hängen Geräte, die Anweisungen an automatische Rasenmäher, Laubrecher, Staubwischer,… geben. Und ganz hinten in der Ecke steht einsam und allein ihr altmodisches Fahrrad. Ihre Mutter hat mal erzählt, dass früher fast alle Menschen ein Fahrrad besaßen, doch mit den Flying-Jet-Bahnen, deren Gondeln hoch über der Stadt schweben, ist das altmodische Fortbewegungsmittel ausgestorben. Lisa schwingt sich auf ihr Fahrrad und fährt über die verlassene Straße. Der einzige, der ihr begegnet ist der Postbote, der auf seinem Monowheel von Haus zu Haus fährt. Sie genießt den Fahrtwind und beobachtet wie die Häuser, die stadtauswärts immer kleiner werden, an ihr vorbeifliegen. Als sie am Treffpunkt ankommt, ist Simon noch nicht da. Sie steigt ab und setzt sich auf die Wiese. Die Sonne scheint ihr ins Gesicht und sie spürt die Wärme auf ihren geschlossenen Augenlidern. „Wieso gehen die meisten nur noch so wenig nach draußen, es ist doch wunderschön?“, denkt sie: „Warum gibt es überhaupt noch Natur, wenn sie doch keiner nutzt?“ Aber sie weiß es ja. Die Wälder gibt es aus einzig und allein dem Grund, damit sie das CO2 aus der Luft filtern. In ganz Europa wurden Naturschutzgebiete ausgewiesen, die nicht bebaut werden dürfen. Deswegen wird in den Städten auch immer weiter in die Höhe gebaut.
„Hi“, sagt jemand und Lisa schreckt aus ihren Gedanken hoch.
„Oh, hi“, sagt sie und grinst. Das ist also Simon. Er ist blond, groß und hat braune Augen und ist einfach nur hübsch. „Wie können sich Paare über Dating Portale finden? Sie können die Person doch gar nicht richtig sehen und das Knistern in der Luft nicht spüren?“ Sie merkt nicht, dass sie den Gedanken laut ausgesprochen hat, bis Simon ihr antwortet: „Tja, ich glaube wir beide würden wohl besser in die alte Welt passen. Ohne Dating Portale und ohne das ganze High-Tech Zeug.“ Lisa läuft knall rot an und wechselt schnell das Thema: „Sag mal, wieso bist du eigentlich so gut in Chemie?“ „Mein Vater arbeitet in der Landwirtschaftschemie. Er versucht Pflanzen zu entwickeln, die Nährstoffreich sind und wenig Wasser brauchen. Du weißt schon, für Afrika. Damit der Krieg um Wasser endlich ein Ende findet und die Menschen nicht mehr hungern brauchen.“
„Und damit sie nicht alle nach Europa fliehen, oder? Wir können ihnen zwar helfen, aber irgendwann werden doch auch unsere Kapazitäten erreicht sein. Die Insekten Farmen werden nicht mehr genug eiweißreiche Nahrung liefern und dann werden die Politiker wieder Einreiseverbote verhängen...“
„Hast du eigentlich schon von dem neuen Meerwasserentsalzungsprojekt gehört? Das soll ja jetzt endlich funktionieren und zwar ohne die Meere mit noch mehr Schadstoffen zu belasten und ohne sie weiter zu übersalzen, so wie es die Projekte bisher getan haben. Dann gäbe es endlich genug Trinkwasser und es wäre möglich, dass jeder ein ihm würdiges Leben führen kann.“
„Ja, es müsste viel mehr Menschen geben, die gemeinsam für eine bessere Zukunft kämpfen.“

Zurück