Traum aus Kindertagen

Einsendung zum Wettbewerb 2050 - Stadt meiner Träume von Astrid Hofmann, 50 Jahre

Ich sitze auf der Rückbank unseres himmelblauen VW-Käfers und schaue aus dem Fenster. Häuser ziehen an mir vorbei, Gärten, Straßen, Geschäfte, Fabriken ... Ich sehe aus dem Fenster und denke: "Warum sieht das alles so hässlich aus, so schrill, so so so ... - ich finde keinen Ausdruck dafür? Wozu braucht man diese großen Plakate und knalligen Werbeaufschriften? Warum kann das nicht irgendwie schöner aussehen, einheitlicher, weniger Aufsehen  erheischend?" Als ich das denke bin ich sechs oder sieben Jahre alt und zusammen mit meinen Eltern auf dem Weg in die Nachbarstadt zu meiner Großmutter.
Das ist jetzt über vierzig Jahre her, aber ich erinnere mich noch so genau daran als wäre es gestern gewesen. In gewisser Weise hat mich dieser Gedanke ein Leben lang begleitet. Als Jugendliche entwarf ich zusammen mit einer Freundin Häuser und Gärten. Später studierte ich Landschaftsarchitektur. Zeit meines Lebens hat mich die Idee meine Umgebung zu gestalten nicht mehr losgelassen. Ich brauche ein harmonisches Umfeld wie die Luft zum Atmen um mich wohl zu fühlen, liebe schöne Gärten und Grünanlagen, abwechslungsreiche Landschaften und gelungene  Architektur. Und immer noch stören mich die klotzigen Werbeaufschriften an den Gebäuden von Supermärkten, die unübersehbaren Plakatwände und werbenden Hinweisschilder, das grauenhafte Aussehen von Gewebegebieten, deren einziger Gestaltungswille zu sein scheint aufzufallen. Lassen sich potenzielle Kunden wirklich auf diese Art zum Einkaufen verführen?  Haben all diese Scheußlichkeiten denn überhaupt noch Sinn, heute -  im Zeitalter des Internet?
Ja, genau - im Zeitalter des Internet, müsste das doch eigentlich mehr und mehr überflüssig werden! Die Jugendlichen schauen doch sowieso schon dauernd auf die Bildschirme ihrer Smartphones oder Tablets - und werden dort mit Werbung berieselt. Das ist doch sicher billiger und effektiver als diese hässlichen Werbeflächen an Straßen und auf Gebäuden! Und überhaupt werden auch immer mehr Einkäufe über das Internet erledigt. Erst diese Woche habe ich einen Flyer von meinem Supermarkt erhalten, der anbietet meine Wocheneinkäufe nach Bestellung im Web zu mir an die Haustür zu liefern.
Wenn die Markforscher diesen Trend erst einmal erkannt haben, dann besteht Hoffnung auf Besserung! Gewerbeparks könnten dann vielleicht wirklich ein parkartiges Aussehen bekommen, denn die Gewerbetreibenden brauchen dann ja keine Angst mehr zu haben, dass mächtige Bäume  oder blühende Hecken ihre Werbebanner verdecken! Die riesigen asphaltierten Parkplätze an den Supermärkten könnten verkleinert und auf den frei werdenden Flächen Bäume gepflanzt werden - träume ich weiter. Das wäre schon ein großer Schritt in Richtung "Stadt meiner Träume"!
Denn die "Stadt meiner Träume" ist eine grüne Stadt. Entlang jeder Straße stehen Bäume, an denen man die Jahreszeiten ablesen kann, die im Frühling blühen und im Herbst mit ihren bunten Blättern den Alltag der Menschen verzaubern. Wenn ich super optimistisch bin stelle ich mir eine autofreie Stadt vor, in der man alle Orte bequem mit öffentlichen Stadtbahnen erreichen kann. Für diejenigen die trotzdem auf ein eigenes Fahrzeug nicht verzichten können, stehen am Stadtrand Tiefgaragen zum Abstellen zur Verfügung. Dort gibt es dann natürlich auch Car-Sharing-Angebote. In meiner Vision werden innerstädtische Parkplätze und breite Straßenschluchten zu Freiflächen. Radwege, sind überflüssig geworden, denn Radfahrer können jetzt ja sicher auf der Straße fahren, und werden zu blühenden Bändern mit Gräsern und Stauden in der Stadt. Kinder können gefahrlos vor der Haustür spielen. Die Zahl begrünter Innenhöfe nimmt stetig zu, denn die Autos die dort heute parkten, warten in Zukunft ja am Stadtrand auf ihren nächsten Einsatz. Bänke vor den Häusern laden zu einem Plausch mit den Nachbarn ein. In der warmen Jahreszeit verlagert sich das Leben der Menschen mehr und mehr nach draußen - ähnlich wie in südlichen Ländern heute schon. Der Trend zu Straßenkaffees, die mit Decken zum Verweilen im Freien einladen, ist ja schon seit längerem erkennbar.
Ich stelle mir vor, dass es den Stadtplanern gelingt, in den Innenstädten und auch in den einzelnen Stadtquartieren ansprechende "Flaniermeilen" mit schön gestalteten Geschäften zu  etablieren.  Und dass neue Wohnquartiere entwickelt werden, die sich an menschlichen Maßstäben orientieren und in denen sich die Bewohner wohlfühlen. Dass dazwischen Grünflächen mit Freizeitangeboten liegen, die durch ihre Gestaltung nachbarschaftliche Kontakte fördern. Dass alte Häuser saniert und hässliche Fassaden begrünt werden ...
Ich sitze  in meinem grünen Polo im Stau an der Ampel - auf dem Weg zum Supermarkt. Es regnet - alles ist grau, kein Baum in Sicht, auch kein blühender Grünstreifen. Warum sieht das alles nur so trist aus? Ich nehme mir vor nächste Woche das Angebot des Supermarkts auszuprobieren  und meine Einkäufe liefern lassen. Ob ich damit etwas in Gang setzen kann weiß ich nicht ...

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Autorin / Autor: Astrid Hofmann, 50 Jahre