Damals und Heute

Einsendung zum Wettbewerb 2050 - Stadt meiner Träume von Chiara, 13 Jahre

Bald war es Zeit für mich meiner fesselnden Arbeit als Historiker nachzugehen. Mich faszinierte die Vergangenheit schon immer und ich brauchte den Kick und meine Arbeit half mir mich nicht zu langweilen. Damals gab es so viele interessante Probleme. Klimawandel, Krieg, Tierarten starben aus. All diese Probleme standen nur noch in den Geschichtsbüchern. Heute gab es eine Welt ganz ohne Probleme. Eine schöne Welt!? Wunderschön, aber langweilig. Welcher Mensch bevorzugt eine kaputte statt einer heilen Welt nur um nicht gelangweilt zu sein? Jeder Mensch übt heute den Beruf aus, den er machen möchte. Es geht dabei nicht um Geld oder Karriere. Nur um den Spaß. Wer keinen Spaß an seinem Beruf hatte, der konnte auch nichts Gutes zustande bringen. Jeder bekam gleich viel Geld, so gab es keinen Streit. Es gab keinen Grund für einen Krieg. Jeder Mensch wuchs in Frieden auf und er würde ihn niemals brechen. Es war eine perfekte Welt. Und doch waren die Menschen auf damals. Wir sprachen nur von damals. Der Zeit als es böse Menschen und schlechte Zeiten gab. Als Menschen noch hungerten und ums Überleben kämpften. Und wir sprachen von heute. Der perfekten langweiligen Zeit. Früher sagte man vor Christus und nach Christus  und jetzt sagte man damals und heute. Ganz einfach.

In Gedanken versunken stand ich auf. Für meine Zeit lebte ich altmodisch und es gefiel mir so. Ich nahm meinen Mantel von der Garderobe und öffnete die Tür zu meiner Garage, die vollgestopft mit Fundstücken und Souvenirs von meinen Reisen war. Inmitten diesem Chaos stand mein Wagen, der zwar nach Sportwagen aussah, aber keiner war. Alle Autos waren so konstruiert, dass sie die Natur nicht zerstören. Eine Stimme sagte „Guten Morgen Anthony, was ist ihr Ziel für heute?“ "Manhattan Zentrum für Historik und Wissenschaft" antwortete ich und machte es mir in meinem Sitz bequem. Das Tor meiner Garage öffnete sich, der Motor wurde gestartet. „Ich wünsche ihnen eine angenehme Fahrt, Sir!“. Ich ließ mich fahren.

Die Straßen  waren noch fast leer. Das „Manhatten Zentrum für Historik und Wissenschaft“ war ein mittelgroßes Gebäude aus Beton tief im Wald. Es stand dort schon, als der Wald sich noch nicht wieder soweit ausgebreitet hatte. Die Eingangshalle war schlicht. Es gab nur das Notwendigste. Auch mein Büro war funktional: Ein alter schwarzlackierter Schreibtisch mit einem schwarzen Bürostuhl. An den weißen Wänden stand ein schwarzes Regal, vollgestopft mit Büchern. Gegenüber eine große Weltkarte, auf der ich mit farbigen Punkten zehn ausgestorbene Städte markiert hatte, von denen ich neun besucht hatte, aber noch nie etwas wirklich interessantes gefunden. Eine Woche später saß ich in einem umweltfreundlichen Flieger. Die Natur konnte dank der neuen naturschonenden Maßnahmen zu 72% wiederhergestellt werden. Retter dieser Welt war Sir Richard Krey, ein ziemlich brillanter Kopf, der um 2015 rum gelebt hatte. Sein System wurde erst 100 Jahre nach seinem Tod erfolgreich. Ein Nachfahre hatte dessen Idee bei der Regierung durchgesetzt und seitdem wurde Krey verehrt. Vor mir lag eine der größten Geisterstädte die jemals gefunden wurden. Ich stieg aus und lud die gesamte Ausrüstung in das Auto eines Freundes, den ich vor ein paar Tagen angerufen hatte, denn die Geisterstadt befand sich ein wenig weiter südlich. Er begrüßte mich mit den Worten: "Dein Gepäck kannst du hinten in den Kofferraum schmeißen und dann steig schnell ein. Ich hab keine Lust, dass mein Auto wegen dir einkassiert wird." Sobald ich drin saß gab Sean Gas. Er nahm die etwas ruhigeren Straßen und hielt die Geschwindigkeitsbegrenzungen genau ein. "Hier muss ich dich rausschmeißen. Die Stadt ist abgesperrt und wie vorhin gesagt bin ich nicht bereit mein Auto wegen einer deiner Untersuchungen zu verlieren." „Danke Sean."

Dann wandte ich mich dem verrosteten Stadttor zu. Gegen Mittag hatte ich ein Gebäude gefunden, das mir stabil genug schien um die nächsten Tage darin zu wohnen. Ich  hätte das morsche Gebälk genauer inspizieren müssen. Dies wurde mir allerdings erst klar, als es schon zu spät war. Ich war fast am Ende meiner Untersuchungen angekommen und hatte bisher nur ein paar vergilbte Dokumente in der Ruine eines weiteren Bürogebäudes gefunden, die aus dem Jahr 2015 stammten. Doch am letzten Abend, ich hatte es nicht mehr für möglich gehalten, fand ich es. Es war ein kleines verstaubtes Notizbuch, das ich in einer Wohnung neben den Büros fand. Wie sich herausstellte war es ein Tagebuch. Das Leben einer privaten Person auf 400 Seiten von 1980 bis 2050. Das war ein hochinteressanter Fund und ließ mich die Suche endgültig beenden. Ich packte zusammen, am nächsten Morgen wollte ich aufbrechen. Wäre ich doch lieber, wie geplant, noch an diesem Tag abgereist, denn mitten in der Nacht wurde ich durch Holzsplitter geweckt, die auf mein Gesicht rieselten. Das einzige Hölzerne waren die Holzbalken, die das Dach hielten. Ich hatte über ein paar meine Ausrüstung gehängt. Es stellte sich als eine dumme Idee heraus, denn wenig später brach der erste Balken. Man hörte ein ohrenbetäubendes Krachen und der Balken landete neben mir. Panisch rannte ich aus dem Raum. Doch ich machte auf halber Strecke kehrt. "Das Buch! Ich muss es holen!" An den Rest meines Lebens kann ich mich nicht mehr erinnern. Nur dass ich mit dem Gefühl erdrückt zu werden und dem Gedanken, dass die Vergangenheit wohl besser ein Mysterium blieb, für immer einschlief. Jetzt bereute ich es, mich gelangweilt zu haben und nie wirklich in der Zukunft gelebt zu haben, denn DIE war wunderschön.

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