Der Wille der Elite

Einsendung zum Wettbewerb 2050 - Stadt meiner Träume von Katrin, 16 Jahre

Im Bus befand sich ein großer Haufen aufgeregt schnatternder Mädchen. Die Elite des Landes! Sie waren auf dem Weg zu einer der letzten Zeitzeuginnen. Sie besaß Erinnerungen an alle drei Weltkriege. Der erste von 1914-1918, der zweite 1939-1945 und schließlich der letzte von 2020-2026. Der letzte war der verheerendste, das wussten die Mädchen aus den vielen Stunden Kriegstheorie, doch wie schrecklich, das konnten selbst sie sich nicht vorstellen. Deshalb fuhren sie zur letzten Zeitzeugin, Anne-Marie, 102 Jahre alt.

„Katja noch einmal wiederholen“, scholl der Befehl ihrer strengen Lehrerin Laura nach hinten. Die Aufgerufene erhob sich schnell, stand stramm und rief: „Ma’am! 14 Staaten beteiligt. Atomkrieg. 1,3 Milliarden Tote.“ Just in dem Moment kam der Bus zum Halten. Das Timing war mal wieder perfekt. Alle Mädchen erhoben sich rasch. Die Abzeichen auf ihren grauen Uniformen blitzten, die Zöpfe saßen stramm. In strenger Ordnung traten sie diszipliniert aus, stellten sich in einer Reihe auf. Hier sahen sie, wie schlimm der Krieg wirklich gewütet hatte. Überall lagen noch Trümmer herum. Das Land befand sich noch vier Jahre danach im Aufbau.

Fünf Stunden verbrachten sie dann in dem kleinen Hörungssaal. Erschüttert verließen sie ihn wieder. Die Gesichter waren nicht mehr so militärisch starr. Hinter ihnen brodelten die Gedanken, sie versuchten das Gehörte zu verarbeiten, kalt zu bleiben, alles nicht an sich heranzulassen. Natürlich gingen diese Geschichten nicht spurlos an ihnen vorbei. Nun erkannte man auch ihr Alter – sie waren zwischen 14 und 17 Jahre alt. Und bildeten die Elite eines ganzen Landes, dessen gesamte Last auf ihren Schultern lag.

Als Erste sprach die kleine braunhaarige Katja wieder. „In zehn Jahren werden wir alles wieder so hergerichtet haben wie früher. Grüne Parks, viel Platz, Gerechtigkeit, Frieden… Freiheit.“ Die älteren Mädchen gaben ihre Bedenken kund. „Wir sind die Elite“, erwiderte die Kleine energisch, „wenn einer etwas ändern kann – dann wir.“ Ein Hauch von einem Versprechen lag in der Luft. „Wer jung ist, hat noch Träume…“ hatte die alte Anne-Marie gesagt. Und sie hatte Recht. Das Jahr 2050 wurde für die Mädchen zu ihrer Stadt der Hoffnung, zu ihrer Stadt der Träume.

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