Wenn Dich morgen jemand fragt

Einsendung zum Wettbewerb 2050 - Stadt meiner Träume von Anna, 37 Jahre

Die Sonne scheint. Das bedeutet, wir frühstücken heute auf dem Balkon und ich stelle fest, dass wir nicht die einzigen sind, die diese Idee gehabt haben. Parwin, unsere Nachbarin winkt mir von gegenüber zu, umfasst dann wieder ihren Becher und widmet sich der Tageszeitung. Ben, mein kleiner Bruder sieht noch ganz verschlafen aus und knabbert mit halb geöffneten Augen an seinem Brot herum. Ich pflücke mir eine Kirschtomate und ein paar Blätter Basilikum und stecke mir alles zusammen in den Mund. Danach genehmige ich mir eine Scheibe Brot mit Quark und der selbstgemachten Marmelade, die wir in der Schule eingemacht haben und ein Schälchen Obstsalat. Unsere Mütter Johanna und Sophie sind wie immer diejenigen, die uns daran erinnern, dass es langsam Zeit wird, uns für die Schule fertig zu machen. Ich helfe beim Tisch abräumen und werfe die Abfälle in die Haushaltsröhre, die alle Abfälle direkt in die Verwertungszentrale befördert. Ich greife mir meine Tasche und meinen Fahrradhelm und wir verlassen alle zusammen das Haus. Mama Johanna und ich fahren beide mit dem Rad in Richtung Schule. Mama Sophie geht mit Ben zu Fuß zum Kinderhaus, bevor sie mit der Linie 9 weiter zur Arbeit fährt. Um diese Zeit herrscht ein muntereres Treiben auf der Fahrradstraße; die meisten müssen zur Arbeit oder in die Schule. Als eine Sirene ertönt, bilden alle vorbildlich eine Gasse und lassen das Sonderfahrzeug durch. Ich muss an Ben denken. Er würde dem Fahrzeug mit großen Augen hinterher schauen und unseren Ausführungen lauschen, dass das Fahrzeug ganz schnell bei einem Menschen ankommt, der gerade Hilfe braucht. Kurz vor der Schule verabschiedet sich Mama Johanna von mir und ich schiebe auf dem Fußgängerweg mein Fahrrad das letzte Stück bis zu den Fahrradständern. Meine besten Freunde Kiki, Roshan und Tim warten schon auf  mich und wir gehen zusammen ins Schulgebäude. Ich liebe unser Klassenzimmer, denn es ist ein buntes Mitmachmuseum. All unsere aktuellen Projekte sind ausgestellt und warten darauf, vollendet zu werden. Wir dürfen alles anfassen, ausprobieren und genau untersuchen. Opa Bernd erzählte, dass früher ganz anders unterrichtet wurde, als heute. Ich kann mir kaum vorstellen, wie das gewesen sein mag. Zum Glück wurden unsere Lehrer so ausgebildet, dass sie uns ein Thema von allen Seiten näherbringen. Wir lernen mit allen Sinnen und widmen uns gemeinsam Themenfeldern, die wir aktiv mitgestalten dürfen. Wir haben einen Schulgarten, ein Labor, eine Werkstatt, eine tolle Bibliothek und eine Mensa, in der alle Lehrer und Schüler zusammen zu Mittag essen. Nachmittags stehen unsere Gemeinschaftsprojekte an. In diesem Schuljahr nehme ich an zwei Projekten teil: Ich kreiere meine eigene Holzskulptur in der Schulwerkstatt und ich besuche mindestens zwei Mal in der Woche Opa Bernd. Direkt neben der Schule liegt das Wohnheim, in dem er lebt. Ich darf ihn Opa Bernd nennen, weil er keine eigenen Enkelkinder hat und wir uns ziemlich gut verstehen. Ich habe unseren Lehrer Marcel Juraczeck gefragt, ob wir Opa Bernd in der nächsten Woche vormittags in die Schule einladen wollen, damit er uns erzählen kann, wie es früher war. Voneinander lernen steht bei uns im Mittelpunkt. Am Wochenende wird meine Familie Opa Bernd kennenlernen. Ben wird mir helfen, einen Kuchen zu backen, denn wir wollen alle zusammen im Park ein Picknick veranstalten. Am späten Nachmittag fahre ich zurück zu unserem Wohnhaus. Im Innenhof ist fast immer etwas los. Unsere „erweiterte Familie“ sagen alle Hausbewohner. Heute ist Donnerstag, der Tag an dem alle Bewohner, die Lust haben, einen gemeinsamen Abend verbringen. Mama Sophie und Ben sind auch schon da und schieben zusammen mit Parwin und ihrem Mann Sahid Bänke zusammen, damit wir genügend Platz für den Tanz haben, den uns Malika, die Tochter der beiden, beibringen möchte.

Gegen 21 Uhr falle ich meistens hundemüde ins Bett und freue mich auf den nächsten Tag in unserem Haus, unserer Schule und unserer Stadt.

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