bildschirmklauen

Beitrag zum Lyrik-Wettbewerb Connected von Jun K., 19 Jahre

keine brotdose, ein einfaches sackerl
die semmel mit butter und honig pickt in der hand
im zug, die haare rotblond geküsst von der untergehenden sonne
gestresst, wie selbstverständlich, ein leises schnakerl

augenringe dunkel, blau und violett
der rücken verkrampft, der nacken knackt
ein kissen wär jetzt ganz nett

ein kind im großraum übergibt sich
vor ihm ein lehrbuch, zweite klasse
der wunsch nach honigbrot und nackenkissen wich
schnell raus hier, spaziergang in die erste klasse

es ist ein einfacher zug, sieben wagons, reihen sich aneinander
ein und zwanzig menschen in dem einen ganz hinten
neun und siebzig in meinem, beinahe gestapelt aufeinander

nach dem restaurant erscheint eine tür
verschnörkelt und silber, sie öffnet sich mir

der geruch nach mikrowellenessen vergeht
unsichtbar ein schleier sich legt
die passagiere schauen
zwei und vierzig bildschirmklauen

verwirrte stille die mich stillhält
eckige blicke, mein pochendes herz, lauter und lauter
so laut, was mach ich hier? über meinem knackenden rücken ein peinlicher
schauer
nur weg, tür übersehen, meine würde zerschellt

zurück in meinem teil des zuges beginne ich meine würde zusammenzusetzen
nach und nach, teil für teil
grünes weht vorbei

vollständigkeit des puzzles

nicht mir sondern ihnen fehlt die würde
hände geklammert an stücken
die nicht von ihren fingern geschaffen
bildschirmlichter wie waffen
welche empathie verrücken
ist achtsamkeit denn so eine hürde?

die rechtecke nach kurzer zeit kaputt, ein neuer apfel muss her
ganz egal ob nachts das arbeitende kind schläft
denn ohne handy ist das leben ganz schön schwer

um mich herum einige wenige mit ihrem intelligenten telefon
die qualität schwindet mit den jahren, das sieht eine*r schon
doch nicht jede*r kann sich ein neues gerät leisten
wie gerne würde ich die bildschirme aus den erste-klasse-klauen reißen

meine semmel wartet von mir gegessen zu werden
hat nicht erwartet, dass ich eintauche in gedanken, die sich mehren

aber was ist mit meinen eineurohonig-klauen
oder meinem vielen handyschauen?
kann ich mir nicht auch ein nackenkissen kaufen
und auch eines für jene die es wirklich brauchen?

die hände der leidenden ausgewählt wie spielkarten
lastwagen so schwer wie die last jener die auf essen warten
das verlangen durch handys verbunden zu sein
doch das spinnennetzwerk nur reiner schein

die fenster nun verdunkelt
eine dame sitzt neben mir
spreche leise mit ihr
unser körper ruckelt

arbeite daran eine verbindung aufzubauen
mit ganz viel schweiß
eine einzigartige? wer weiß
versuche nun häufiger aufzuschauen