Ein stummer Schrei nach Hilfe
„Hallo? Hörst du mich?“
Ein verzweifeltes Schluchzen
„Hört mich denn irgendwer?“
Ein Magenknurren, das lauter ist als das Brüllen eines Löwen
„Hallo? Siehst du mich?“
Eine Explosion erschüttert die Erde
„Sieht mich denn irgendwer?“
Ein Versuch, die Aufmerksamkeit zu erregen
Doch sie bleibt aus
Weil jeder nur eines sieht: sich selbst
Tausende Menschen warten darauf, gehört und gesehen zu werden
So wie wir darauf warten, dass sich unser Handy über Bluetooth mit der Musik-Box verbindet
Für tausende Menschen ist das so unmöglich wie das Überleben ohne Sauerstoff
Sie wünschen sich ein Stück Brot
Wir wünschen uns ein 12-Gänge Menü im nobelsten Nobelrestaurant
Tausende Menschen wünschen sich ein eigenes Bett
Unsers kann nie groß genug sein
Tausende Menschen wünschen sich ein kleines, sicheres Zuhause
Unsers kann nie groß genug sein – manche wären noch nicht mal zufrieden, wenn ihnen das Universum gehören würde
Tausende Menschen wünschen sich einen Beruf zu erlernen
Während wir uns wünschen, nie wieder Arbeiten gehen zu müssen – oder tun es längst nicht mehr,
weil wir uns Komfort eingerichtet haben
Tausende Menschen warten darauf, gehört und gesehen zu werden
So wie wir darauf warten, dass sich unser Handy über Bluetooth mit der Musik-Box verbindet
Kein Signal
Ich versuche es nochmal mit einem Klick auf dem Bildschirm
Kein Signal
Sie kämpfen, überleben – irgendwie – und leiden
Ein stummer Schrei nach Hilfe,
im Innersten des Kindes so laut wie ein Vulkanausbruch
Doch der Schrei, er bricht nicht aus
Er lodert tief in ihm
Unser größter Wunsch ist, die Malediven zu sehen
Der des Kindes ist es, gehört zu werden
Kein Signal
Es schreit stumm noch einmal
Kein Signal
Der Vulkan bricht aus
Kein Signal
Und niemand hört
Wie sehr das Kind einfach nur Kind sein möchte
Dabei weiß es noch nicht mal, was das bedeutet – weil es das noch nie war
Es arbeitet mehr als es schläft, wenn es das überhaupt tut
Es gibt Menschen, die hinschauen
Die sehen, wie sehr das Kind und Abertausende andere leiden
Es gibt Menschen, die zuhören
Die hören, wie laut die stummen Schreie wirklich sind
Es gibt Menschen, die zumindest auf „Verbinden“ klicken, in der Hoffnung, etwas bewirken zu können
Aber:
Kein Signal
Keine Verbindung
Denn es gibt mehr, die wegschauen
Die nur den eigenen Wohlstand im Kopf haben
Und das Sterben von Menschen durch Hunger, Krieg und Überlastung als „passiert“ abstempeln
Es gibt mehr, die weghören
Die den stummen Schrei nicht wahrnehmen, weil er für sie nicht wichtig erscheint
Wichtig ist: das neuste Smartphone, das teuerste Auto, die größte Villa, das erfolgreichste Unternehmen
Wichtig ist: Macht. Geld. Bewunderung.
Dabei haben sie keine Bewunderung verdient
Denn sie sind die, die die Verbindung kappen
Wegen ihnen, wir das hungernde und stumm schreiende Kind nicht gehört
Weil sie es ignorieren
Wegen ihnen besteht kein Signal
Wegen ihnen hört das Herz des Kindes auf zu schlagen, nur weil sie keines haben
Wieso reichen wir einander nicht einfach die Hand?
Keiner verlangt eine Umarmung.
Keiner verlangt, dass wir beste Freunde werden.
Aber sollte es nicht selbstverständlich sein, dass wir aufeinander achten? Dass wir dafür kämpfen, dass jeder gehört und gesehen wird?
Zusammenhalt ist das, was fehlt, während Macht das ist, was zählt.
Ein Klick auf „Verbinden“ ist das, was wichtig wär‘, stattdessen ist das Letzte, was das hungernde Kind sieht, ein geladenes Gewehr.
Das Kind ist verstummt
Sein Herz hat aufgehört zu schlagen
Seine Lunge füllt sich nicht mehr mit Sauerstoff
Ich sehe nur – tausende Kilometer weit weg – eine einsame Träne, die seine Wange hinabfließt, mir von seinem Schmerz erzählt, während der Soldat schon das nächste Kind zu Fall bringt