Das Antlitz einer neuen Welt

Einsendung von Johanna Kulms, 19 Jahre

Das Raumschiff landete in einem Wirbel aus aufgewühlter Luft und zerfetztem Gras.
Einen Moment lang blieb es unbewegt inmitten der hohen, wogenden Halme stehen, scharf und silbern glänzend, während weißer Dampf von seinem erhitzten Körper aufstieg.
Die Luke glitt auf und spuckte den Kommandanten und die Navigatorin ins Freie.
Ihre weißen Druckanzüge hoben sich flimmernd von der dunklen Silhouette des Waldes ab; ihre großen, kugelförmigen Helme reflektierten blendend die Sonne, während sie stehen blieben und ihre Umgebung in sich aufnahmen.
Der Kommandant schaltete seinen Rekorder an.
„Logbuch des Kommandos: Ankunft auf Planet XB/3367 planmäßig nach drei Monaten Flug. Die Atmosphäre enthält 21% Sauerstoff, Druckanzug daher unabdingbar. Flora und Fauna auf Kohlenstoff-Basis.“
Mit einer scharfen, geschäftigen Bewegung wandte er sich zu der Navigatorin um.
„Beginnen Sie damit, Proben zu nehmen. Luft, Boden, soviel Organisches, wie Sie auftreiben können. Das muss alles in die Analyse.“
Die Navigatorin reagierte nicht; sie hatte sich von ihm abgewandt, ihr Blick gefangen von dem weit entfernten, schwarzen Schemen eines Vogels, der weite Kreise über den Himmel zog.
„Ist Ihr erster Außeneinsatz, hm?“
Sie fuhr zusammen.
„Es ist so – so grün. Und hell. Und dieses ganze Leben. Überall, wo man hinschaut.“
„Einfach grässlich, was? All dieses Kriechvieh, man kann nirgendwo hintreten, ohne dass etwas huscht, krabbelt, schreit. Diese viele Bewegung macht mich ganz nervös. Und dann erst diese Platzverschwendung! Sehen Sie es sich doch an, dieser ganze verdammte Planet ist mit diesem Gestrüpp vollgestopft, ein Parasit, der die Energie aus dem Boden zieht und sich überall hin ausbreitet. Wie viele Fabriken man hier bauen könnte! Wie viele Generatoren man mit dem ganzen Wasserstoff antreiben könnte!“
Er war vorgetreten, die Hände in die Hüften gestemmt. Sein Helm leuchtete in der grellen Sonne, ließ keinen Blick auf das zu, was sich darin befand, das schmale Gesicht, in das strenge Linien eingegraben waren, die harten blauen Augen, das penibel gekämmte graue Haar.
„Ich hasse dieses Grünzeug.“
Die Navigatorin ließ die Augen nicht von dem dunklen Flecken, der nun still am Himmel stand, die Flügel zitternd im Wind, jeden Muskel in Erwartung der Jagd gespannt.
Der Kommandant klopfte ihr begütigend auf die Schulter.
„Das erste Mal ist immer überwältigend. So ganz anders als unsere gute alte Erde. So viel Dreck, in dem man versinken kann. So ein weiter Horizont, in dem sich der Blick verliert, bis man nicht mehr weiß, wo oben und unten ist. So eine Stille, keine Fabriksirene, keine Straßen, so abgeschnitten von der Zivilisation, keine Unterhaltung, keine Einkaufszentren, nur dieser ekelhaft blaue Himmel.
Aber keine Sorge, dafür sind wir ja hier. Wie wird es hier erst aussehen, wenn die ersten Kolonisten kommen!“
Seine Augen leuchteten vor Begeisterung, ein heller Strahl, der seinen Weg durch das spiegelnde Glas fand.
„Ich sehe es schon, die Produktionsstätten, die wir hier hochziehen werden. Wir ersticken den Schlamm mit Zement, wir verbrennen das Viehzeug mit Strahlen, wir rotten das anarchistische Buschwerk mit metallischen Zähnen aus. Warten Sie nur ab, in einem halben Jahr werden Sie keinen Unterschied zur Erde mehr feststellen können.“
Der Wind trug den heiseren Schrei des Vogels zu ihnen herüber.
Der Kommandant wandte sich ab.
„Also, beginnen Sie hier mit den Proben, ich werde dort hinten die Kartierung vornehmen.“
Der Vogel stürzte sich hinab, in einer wirbelnden Spirale auf die Baumkronen zu.
Sie war allein.
Allein mit dem rauschenden Wind, mit dem Gras, das um ihre Knöchel spielte, allein mit der gelben Sonne und dem blauen Himmel, mit raschelnden Blättern und knackendem Holz.
Ein Insekt huschte über ihre Füße.
Sie griff den Probenkasten fester, machte sich auf den Weg zum Waldrand. Die Bäume ragten mit der unerschütterlichen Weisheit vergangener Jahrhunderte vor ihr auf.
Sie stellte den Kasten ab, kniete sich neben ihn auf den Boden.
Ihre Hand fuhr über die weiche Erde, geleitet von einem uralten Drang, der in ihre Natur eingeschrieben war und dem sie nicht widerstehen konnte. Die zweite Hand machte sich zum Komplizen, löste die Schrauben des Handschuhs, ließ ihn wie einen toten Vogel zu Boden fallen.
Die Rinde des Baumes unter ihren Fingern, die Maserung, die in seine Oberfläche eingeschrieben war, Botschaften aus vergangenen Zeiten.
Eine Eidechse kroch über den Stamm. Ihre kleinen Füße erreichten ihren Handrücken, der schmale Schwanz fuhr über ihre Knöchel.
Grüne, schuppige Haut, eine winzige rosa Zunge, die aus dem Maul hervor züngelte, die schwarzen Augen, die eine Frage stellten, deren Antwort sie bereits kannte, seit ihre Füße das erste Mal den Boden des Planeten berührt hatten.
Die Eidechse huschte weiter, verschwand im Gras.
Ihre Finger fanden den Schalter an ihrem Hals. Ein Klicken, dann löste sich die gläserne Kugel von ihren Schultern.
Luft, die in ihre Lungen gesaugt wurde, die nach dem Harz von Fichten und klarem Wasser schmeckte.
„Sind Sie wahnsinnig?! Was machen Sie da?!“
Er kam über die Grasfläche auf sie zugerannt.
Ihre Hand, die nach dem Holster an ihrem Gürtel griff.
Ihr Finger, der den Abzug zog.
Der Kommandant ging in eine blauweiße Flamme auf, den Ausdruck fassungslosen Entsetzens bis zuletzt in seine Züge eingebrannt.
Sie kniete sich vor seiner Leiche nieder, feuchte Erde, die dunkle Flecken auf ihrem Anzug hinterlassen würde.
Das Funkgerät erwachte mit einem Knistern zum Leben.
„Hier spricht Flug 86135 zum Planeten XB/3367. Der Kommandant ist einer unbekannten, tödlichen Spezies zum Opfer gefallen. Warnstufe 5 wird ausgesprochen. Landen Sie unter keinen Umständen!“
Die Pflanze blühte direkt vor der Stelle, wo sein Helm auf dem Boden aufgeschlagen war, Risse im blauen Glas.
Ihre Hände gruben sich in den Boden, lösten die Wurzeln aus dem Erdreich.
Sie trug sie in beiden Händen zum Schiff zurück, eine winzige Opfergabe aus grünen Blättern und weißen Blüten, einem weit entfernten Planeten dargeboten, der sich schon so lange danach sehnte.

Autorin / Autor: Johanna Kulms, 19 Jahre