Einen Schritt entfernt

Beitrag zum Kreativ- und Schreibwettbewerb "Das ist mir was wert" von Jessy, 18 Jahre

Heute ist der perfekte Tag, um diesen einen Schritt nach vorne zu schreiten.
Was passiert, wenn sich die Geschichte wiederholt? Wenn es statt Freiheit wieder Kriege gäbe? Was würde geschehen, wenn Minderheiten erneut unterdrückt werden? Und Menschen wie Du und Ich in Konzentrationslager gesteckt oder gar ausgerottet werden?
Mit unserer Technologie sind wir sehr fortgeschritten, aber was gibt uns das Recht, Roboter für uns denken zu lassen! Was geschieht, wenn diese von Menschen erschaffene Maschinen an die Macht kommen? „Macht“, ein Wort, bei dem es mir die Haare im Nacken aufstellt.
Ein kurzer Ausflug ins Hier und Jetzt: Sind wir nun so weit, dass einer mächtiger als der andere sein will und alles in seiner Macht stehende tut, um dies zu erreichen? Was geschieht mit uns, wenn Menschen sich gegenseitig eliminieren, um an die Macht zu kommen? Bricht dann der 3. Weltkrieg aus? Wiederholt sich die Geschichte zum dritten Mal? Und das nur wegen ein paar Egoisten, die nicht genug Ruhm, Macht und Geld bekommen können!
„Egoismus“ ein starkes Wort, welches in unserer Gesellschaft der Wahrheit entspricht. Werden in der Zukunft tausende von Tieren aussterben, weil Menschen nur noch an sich denken? Wird das „Wir“ zum „Ich“ und keiner achtet mehr auf den anderen? Kann es sein, dass die Menschheit so dumm sein wird, dass es ihnen egal ist, wie viele Tiere qualvoll sterben, einfach draufgehen und unsere Mitmenschen vermisst werden? Wird die Geschichte wiederholt und muss sich, wie damals Noah, erneut eine Person dazu bereit erklären, verschiedenste Tierwesen vorm Aussterben zu retten?

Haben Sie über diese Fragen schon einmal nachgedacht? Ich verbringe viel Zeit damit und habe eine Idee: Taten über Worte! Probiert es einmal. Das erste, was wir tun müssen, ist andere Leute respektieren und akzeptieren. Wir können uns um all die genannten Probleme kümmern, aber das wird nicht möglich sein, wenn wir uns nicht gegenseitig tolerieren.
Dass Minderheiten oft missverstanden, missachtet oder gar verachtet werden, ist uns mittlerweile allen bekannt. Leider ist das unsere Gesellschaft.
Viele betrachten mich als ein „normales“, weißes Mädchen, womit sie vermutlich recht haben, wenn ich also erzähle, meine Erfahrung mit Rassismus gemacht zu haben, klingt das nicht glaubwürdig, verständlich. Jedoch muss ich alle Anwesenden enttäuschen, ich kenne es. Ich habe dieses Wort „Rassismus“ gekannt, nur nie verstanden. Die Definition ist mir bekannt gewesen, jedoch die Bedeutung dahinter war unbekannt. Es hat existiert, wie jedes andere Beliebige in meinem Wortschatz.

Das hat sich mit ungefähr 12 Jahren geändert. Es ist ein gemütlicher Nachmittag mit meinem älteren Bruder und zwei seiner Freunde gewesen. Einer davon ist Österreicher und der andere Türke. Mein Bruder hat nicht die Merkmale eines Österreichers, im Gegenteil, seine Haut ist dunkler, wie seine Haare und auch seine Augen. Er wird öfters gefragt, woher er kommt, was ihn nicht stört, ich glaube, es ist eine interessante Erfahrung, wenn die Leute nicht auf Anhieb erkennen, von wo man herkommt, und die Person in eine Schublade steckt, aber an jenem Nachmittag ist eine Grenze überschritten worden. Wir sind durch einen Spielplatz spaziert und wir haben gehört, wie eine Frau „Scheiß Türkenkind“ zu uns herüber geschrien hat. Wir haben uns umgedreht, sie hat meinen Bruder angestarrt und mit einem angewiderten Blick hinzugefügt: „Ja, ich meine dich.“

Ab diesem Moment hat es bei mir Klick gemacht, es spielt heutzutage keine Rolle, woher du kommst, was du für eine Vergangenheit hast oder was deine Fähigkeiten sind, du musst so aussehen, wie es andere erwarten, dann ist alles gut. Es gibt überall ein Idealbild und wehe, es fehlt ein kleines Detail. Irgendwie witzig, wenn ich bedenke, dass mir beigebracht wird, etwas Besonderes zu sein. Entspricht das der Wahrheit? Ich bezweifle es stark. Wie um alles in der Welt kann sich jemand entfalten, wenn verlangt wird, „normal“ zu sein? Was ist schon normal?

Mein Bruder hat es sich nicht zu Herzen genommen, aber was ich so scheußlich finde, Menschen müssen tagtäglich mit diesen Kommentaren und noch weiteren leben. Jeden Tag auf die Straße zu gehen und im Hinterkopf behalten, dass es „nur“ Worte sind. Das ist für viele Mitmenschen ein Motto. Eine Einrede, um nicht in der Angst und Scham zu ersticken.
Wenn jemand zu uns nach Österreich kommt, hat er höchstwahrscheinlich einiges erlebt, gesehen und nicht viel Glück in seiner Heimat gehabt. Wenn sie hier bei uns so freundlich, wie gerade erwähnt, begrüßt werden, braucht man sich nicht wundern, wenn auch sie den Respekt vor uns verlieren. Ich finde diese Sache schrecklich, Respekt ist wertvoll. Jeder von uns erwartet Respekt und will behandelt werden wie ein Mensch. Akzeptanz und Respekt, zwei selbstständige Wörter, die oft in Verwechslung mit „Liebe“ kommen. Niemand erwartet, dass wir jeden lieben und mit offenen Armen empfangen, aber es gibt Leute, die das denken. Kein Mensch auf der Welt kann jeden lieben, egal wie gutherzig er ist. Jeder urteilt manchmal voreilig, das ist okay, wir sind Menschen und keine Maschinen. Wir dürfen uns unwohl fühlen, Angst haben und Situationen aus dem Weg gehen, die uns gefährlich erscheinen, aber den Respekt gegenüber einer Person zu verlieren, ist unmöglich.
Wenn ich alleine durch eine dunkle Gasse gehen muss und mir ein Mann entgegenkommt, wechsle ich die Straßenseite und beschleunige mein Tempo, das ist ein Instinkt, jedoch muss man am hellichten Tag auf einem vollen Gehsteig nicht unbedingt die Seite wechseln, wenn jemand eine andere Hautfarbe besitzt oder kleinere Augen hat oder gar „gefährlich“ aussieht. Was kann groß passieren? Vielleicht lächelt diese Person Sie an oder nickt Ihnen zu, das werden Sie erst erfahren, wenn Sie es zulassen.

Die Hautfarbe, ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich liebe meine blasse Haut. Es unterscheidet mich von einigen, da ich wirklich sehr hell bin, ich bin stolz darauf. Schon mal darüber nachgedacht, dass andere das auch sind? Man soll sich in seiner Haut wohl fühlen, heißt es. Dunkelhäutige dürfen das anscheinend nicht. Warum das so ist, wollen Sie wissen?
Wenn Sie jetzt eine Antwort erwarten, muss ich mich entschuldigen, ich weiß es nicht.
Wieso steht es andern nicht zu, sich in ihrer Haut wohl zu fühlen? Was sagt eine Hautfarbe bitte über einen Charakter aus? Das witzigste an der Sache ist, wozu gehen so viele in die Sonne oder in ein Solarium und lassen sich bräunen? Richtig, um dunkler zu werden, aber wenn es jemand von Natur aus ist, dann ist das etwas anderes. Klar, das ergibt definitiv Sinn. Eines ist eigenartig, wenn es unheimlich ist, jemandem mit einer anderen Hautfarbe zu begegnen, warum fürchtet und missachtet man eine Person mit Sonnenbrand nicht? Eine rote Hautfarbe ist meines Erachtens etwas ungewöhnlich, aber das wird keines Blickes gewürdigt.

Es gibt vieles, was wir ändern müssen, aber ich stehe nicht hier und rede davon, die Welt zu ändern, das würde nichts bringen. Eine einzige Tat ist wichtiger als tausend Worte, die davon erzählen, etwas zu verändern.
Nachdem Sie meinen Text gelesen haben, muss ich Glück haben, wenn Ihnen ein Teil davon in Gedanken bleibt.
Ich bin hier, um den ersten Schritt zu machen. Ich werde es nicht schaffen, Europa, Deutschland, Österreich, eine Stadt, ein kleines Dorf oder meine Mitmenschen zu verändern, aber ich fange mit mir selbst an.
Ich werde keine Straßenseiten wechseln, wenn ich nicht in eine brenzlige Situation kommen könnte. Ich werde den Respekt nicht vor einer anderen Person verlieren, weil diese mir zu dunkel, zu groß ist oder einen anderen Glauben besitzt. Das ist mein erster Schritt und ich mache diesen nach vorne.
Wir sind alle nur einen einzigen Schritt entfernt. Es ist Ihre Entscheidung, ob Sie ihn nach hinten machen und in den Abgrund fallen oder einen winzigen Schritt nach vorne zur Vernunft schreiten. Es liegt an Ihnen, aber ich kenne meine Entscheidung und ich hoffe, Sie auch. Wenn alle einen Schritt nach vorne machen, sei es noch so einen kleinen Millimeter, können wir damit viel bewirken.

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Autorin / Autor: Jessy, 18 Jahre