Mode mit färbenden Bakterien

Die Forscherin Charlotte Werth arbeitet mit einer innovativen Methode, um Kleidung mit Bakterien zu färben. Cansu hat sie für "Klima&Klamotten" interviewt

Credit: Paul Cochrane Photography und Designer in Residency at Maison/0

In einer ungewöhnlichen Verbindung zwischen Wissenschaft und Mode arbeitet die Forscherin Charlotte Werth mit einer innovativen Methode, um Kleidung mit Bakterien zu färben. Im Interview erklärt Frau Werth, wie sie durch gezielte Anwendung von Bakterien einzigartige Färbeprozesse ermöglicht.

Was ist Ihre Lieblingsfarbe und kann man die auch mit Bakterien herstellen?

Meine Lieblingsfarbe, wenn es um Kleidung geht, die ich tragen möchte, ist schwarz. Und schwarz ist die unnachhaltigste Farbe, die man tragen kann, weil schwarz normalerweise ganz viele Durchgänge braucht, um besonders dunkel zu werden, viele Metalle oder Chemikalien, damit die Farbe in der Textilie bleibt. Das heißt, es ist eine der schwierigsten Farben, die man kreieren kann. Ich habe aber vor ein paar Wochen das erste Mal mit einem Bakterium gearbeitet, das Melanin produziert - Melanin ist ein schwarzes Pigment, das von Natur aus produziert werden kann - und ich habe einen Grauton erzielt. Also halb ja, würde ich sagen. Ansonsten mag ich das Blau-Lila, mit dem ich färbe, besonders gerne. Ich habe auch schon mit einem pinken Bakterium gearbeitet, aber das blaue mag ich immer ein bisschen mehr.

Gefärbte Schals
Alle Bilder Credit: Paul Cochrane Photography und Designer in Residency at Maison/0
Färbemaschine
blaues Muster

Viele Menschen denken beim Wort Bakterien an Krankheitserreger. Welche Arten von Bakterien verwenden Sie für Ihre Färbemethoden, und wie wählen Sie diese aus?

In der Natur gibt es Bakterien, die Pigmente produzieren. Manchmal hat man auch im Badezimmer leicht rosa-orange Flecken, das kommt auch von Bakterien, die Pigmente produzieren. Es gibt mittlerweile aber auch schon Möglichkeiten, Bakterien genetisch so zu verändern, dass sie ganz spezifische Pigmente produzieren. Das heißt, es gibt von Natur aus Bakterien, die Pigmente produzieren, aber auch sozusagen designte Bakterien. Die Bakterien, mit denen ich arbeite, sind nicht schädlich für den Menschen. Es gibt eine Einteilung in schädliche und nicht-schädliche Bakterien, und ich arbeite mit denen, die nicht schädlich sind. Ich muss natürlich trotzdem aufpassen, während ich mit den Bakterien arbeite, und darauf achten, besonders steril zu sein, aber es gibt keine Krankheiten, die ich bekommen kann. Viele Leute haben anfangs, als ich begonnen habe, damit zu arbeiten, komisch geguckt, und meinten: „Bakterien auf der Haut tragen ist jetzt nicht das, was ich am liebsten machen möchte.“ Das war meistens die erste Reaktion auf das Thema, aber nachdem ich die Bakterien wachsen lasse und diese das Textil einfärben, wird das Textil sterilisiert, das heißt, dass die Bakterien danach nicht mehr lebendig sind. Und ich glaube, dass viele Leute vergessen, dass die Kleidung, die wir momentan tragen, vor allem Fast Fashion, mit Chemikalien eingefärbt wird. Wenn es weiß ist, wird es zum Beispiel gebleicht, und das ist tatsächlich viel schlimmer für die Haut als die von Bakterien gefärbte Kleidung.

Welche Vorteile bieten bakterielle Färbemethoden im Vergleich zu herkömmlichen chemischen Methoden?

Einerseits kommt es nicht zu Hautirritationen im Gegensatz zu Chemikalien, die man normalerweise benutzt, um Textilien zu färben. Aber auch, wenn man sich die umweltschonenden Aspekte anschaut, hat das Färben mit Bakterien viele Vorteile, wie zum Beispiel, dass weniger Wasser benutzt wird. Zudem werden keine Chemikalien benutzt, die danach im Grundwasser landen. Es gibt auch ein paar erste Studien, dass gerade das blaue Pigment, mit dem ich auch arbeite, Vorteile hat, wie zum Beispiel, dass es antibakteriell und antifungal ist und sogar schützende Eigenschaften hat. Das wäre zum Beispiel in Krankenhäusern interessant, weil dadurch der Träger oder die Trägerin vor äußerlichen angreifenden Bakterien geschützt werden würde. Das sind aber nur erste Studien.

Kann auch was schief gehen, wenn man mit Bakterien färbt?

Eigentlich nicht. Das einzige, was schief gehen kann, ist, dass zum Beispiel ein Stück, das gefärbt werden soll, kontaminiert wird, also dass das Bakterium einfach nicht wächst. Dann wird es einfach nicht eingefärbt. Das passiert ab und zu mal. Natürlich versucht man, so steril wie möglich zu arbeiten, aber besonders, wenn man ein paar Sachen ausprobiert, und dann zum Beispiel der Deckel eines Containers länger offenstehen muss, gibt es eine größere Gefahr von Kontaminierung. Dann kommen andere Bakterien in den Raum, der eingefärbt werden soll, und schieben sozusagen das pigmentproduzierende Bakterium weg. Das heißt, man muss wieder von vorne anfangen. Aber es passieren keine Unfälle, die gesundheitliche Auswirkungen haben.

Credit: Paul Cochrane Photography und Designer in Residency at Maison/0

Gibt es denn schon Interessenten, die Ihr Verfahren gerne anwenden würden? Können wir solche Kleidung bald in den Läden kaufen?

Die kann man jetzt schon kaufen. Es gibt mehrere Start-ups, die auch damit arbeiten. Es gibt zum Beispiel eins in Kopenhagen, eins in England, eins auch in Argentinien, das heißt eigentlich gibt es auf der ganzen Welt ziemlich viele Leute, die mit dieser Methode arbeiten und schauen, wie man das größer machen kann. Die Start-ups spezialisieren sich natürlich darauf, einheitlich einzufärben, also dass es für die Industrie auch benutzbar ist und in Massen produziert werden kann, und es gibt immer mehr Designer:innen so wie mich, die in einem kleineren Rahmen arbeiten, die aber auch Kollaborationen mit größeren Kleidungsherstellern und Marken machen.

Gibt es spezifische Textilmaterialien, die besser für die bakterielle Färbung geeignet sind als andere?

Sehr gute Frage! Ja, die gibt es: Polyester. Und das ist auch ein weiterer Vorteil des Färbens mit Bakterien. Polyesterbasierte Stoffe eignen sich extrem gut für das Färben mit Bakterien. Und natürlich versuchen wir gerade, davon wegzukommen, aber die Stoffe gibt es ja trotzdem. Das heißt, ganz viele Leute in der Modeindustrie gucken gerade, wie man Polyester recyclen und es weiterverwenden kann. Irgendwie müssen wir auch damit arbeiten, und obwohl es natürlich besser wäre, nicht damit zu arbeiten, ist es ja schon da. Und Bakterien färben polyesterbasierte Stoffe extrem gut, was im Vergleich zu anderen natürlichen Färbemethoden ein großes Plus ist, weil die färben das gar nicht. Auch mit natürlichen Textilien funktioniert die Färbung mit Bakterien gut, aber am besten mit Polyester.

Welche Entwicklungen oder Fortschritte erwarten Sie in der Zukunft im Bereich der bakteriellen Textilfärbung?

Ich glaube, dass es noch viel mehr wird. Die ganzen Start-ups werden, glaube ich, viel größer, weil einfach jetzt schon viel Interesse daran besteht. Denn sowohl kleine Designer:innen als auch größere Marken sind extrem interessiert an dieser Methode. Und ich glaube auch, dass es bald viel mehr Auswahl geben wird, hoffe aber auch, dass es nicht nur in den Konsumbereich kommt, sondern auch zu einem Umdenken der Infrastruktur. Denn ich finde es schade, dass es keine Labore gibt, wo man was ausprobieren kann. Und das ist etwas, was mir total wichtig ist und wo ich dran arbeite: zu gucken, dass es Labore nicht nur für Start-ups und Universitäten gibt, sondern auch, dass man sie einfach mal als Schulklasse besuchen kann, um so etwas auch besonders früh zu lernen.

Was ist mit der Kleidung, die sie selbst tragen? Haben Sie Ihre eigene Kleidung schon mal mit Bakterien gefärbt? Oder worauf achten Sie, wenn Sie Kleidung kaufen?

Ich habe meine Kleidung schon mehrmals selbst gefärbt und ganz viele Muster ausprobiert und mir irgendwann gedacht, ich kaufe einfach Second-Hand-T-Shirts in weiß, die ich dann überfärbe. Man hat ansonsten tausende von Muster-Textilien herumliegen, die man dann nicht mal anziehen kann. Deshalb habe ich ein paar T-Shirts gekauft, sie eingefärbt und trage sie auch schon über ein Jahr.
Bei meinen anderen Kleidungsstücken würde ich sagen, kaufe ich meine Kleidung zu 80% Second-Hand, ungefähr 10% nähe ich selbst, und die anderen 10% kaufe ich auch mal in den üblichen Läden.

Welchen Tipp haben Sie für Leute, die nicht nur in Naturfarben rumlaufen wollen, aber sich nachhaltig kleiden wollen?

Das ist natürlich total schwierig, denn gerade nachhaltige Marken können häufiger teurer sein, und man kann es sich nicht immer leisten. Ich finde, da ist Secondhand eine gute Alternative, nicht nur vom Nachhaltigkeits-Aspekt aus gesehen, sondern auch, weil die Qualität meistens besser ist, weil oft Sachen, die teurer sind, günstiger verkauft werden. Ich finde es auch wichtig, dass jede Person ein bisschen nähen lernt, weil man dann Sachen zum Beispiel einfach umnähen und so gestalten kann, dass man sie selber auch wirklich mag. 
Ansonsten kann man ja auch einfach mal alle Sachen ausprobieren, besonders wenn man etwas für sich selbst macht. Da kann man meiner Meinung nach auch etwas benutzen, was nicht ganz nachhaltig sind. Ich finde es eigentlich nur wichtig, dass man eine Grundeinstellung dafür bekommt, was einem wichtig ist. Also: wenn man Sachen ausprobiert, finde ich, darf Nachhaltigkeit nicht an erster Stelle stehen. Wenn man beispielsweise ein T-Shirt selbst nähen will und sich dann verschneidet, bekommt man Angst, weil man das Stück Stoff dann nicht mehr weiterbenutzen kann. Ich finde, so etwas sollte nicht passieren, weil es einen davon abhält, weiterzudenken. Also sollte man sich beim Ausprobieren nicht von Nachhaltigkeit einschränken lassen, solange man das Thema im größeren Kontext immer noch mitdenkt.

Vielen Dank für das spannende Interview, Frau Werth!

Dieser Beitrag ist im Rahmen des Projekts "Klima & Klamotten" entstanden.

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Autorin / Autor: Cansu - Stand: 11. Januar 2023