Der Tag der Krokodile
Autor: Michael Williams
Weil in ihrem Dorf in Simbabwe Gegner des Präsidenten Mugabe vermutet werden, richten die Truppen des Militärs auf dem Dorfplatz ein Massaker an; nur der vierzehnjährige Jabu und sein zehn Jahre älterer, jedoch geistig behinderter Bruder Innocent können dem Blutbad entkommen. Ohne Perspektive wenden sie sich zunächst an einen Freund der Mutter, der in der nahegelegenen Stadt wohnt, doch auch dort sind die Präsidententruppen auf dem Vormarsch und niemand ist sicher. Jabu und Innocent erhalten den Rat, nach Südafrika zu gehen, wo die Lage angeblich stabiler ist; mit der Adresse einer Frau, die ihnen helfen soll, die Grenze zu überqueren, machen sich die Brüder auf den Weg. Zunächst versteckt in einem Lastwagen, dann heimlich und bei Nacht durch unwegsames Gelände gelangen sie zu Mai Maria, die angeblich eine Hexe sein soll, aber verspricht, die Jungen sicher durch den Fluss Limpopo ins Nachbarland zu führen.
Tatsächlich gelingt es Jabu und Innocent, unter höchster Lebensgefahr durch den von Krokodilen bevölkerten Fluss und einen Wildpark mit Löwen und Hyänen über die Grenze zu gelangen. Und in den ersten Monate erscheint ihnen Südafrika wie ein Traum: Sie finden Arbeit auf einer Tomatenfarm, bekommen einen kleinen Lohn und haben zu essen und ein Dach über dem Kopf. Dann jedoch beginnen rassistische Anfeindungen und Übergriffe auf die Farmarbeiter aus Simbabwe, und die Brüder entschließen sich, weiterzuziehen und ihr Glück in Johannesburg zu versuchen. Einer ihrer Arbeitskollegen von der Farm nimmt sie im Taxi mit in die Stadt, betrügt sie dann jedoch um einen Großteil ihrer mitgebrachten Ersparnisse und lässt sie ohne Bleibe und Perspektive zurück. Im Township Alexandra finden die Brüder nach einiger Zeit Unterschlupf in einem Hohlraum einer alten Betonbrücke, doch sie leben mehr schlecht als recht in den Tag hinein. Die Rassenunruhen kommen bald auch hier an, und bei besonders drastischen Ausschreitungen einige Monate nach ihrer Ankunft werden Jabu und Innocent voneinander getrennt; Jabu, der sich für seinen Bruder stets verantwortlich gefühlt und liebevoll um ihn gekümmert hatte, findet am folgenden Tag nur noch Innocents Leiche.
Fast zwei Jahre später lebt Jabu obdach- und perspektivlos auf den Straßen von Kapstadt, wohin es ihn nach den Geschehnissen in Alexandra verschlagen hat. Er schnüffelt Klebstoff und hat keinerlei Hoffnung für die Zukunft, als er von einem Sozialarbeiter aufgelesen wird, der zufällig auf sein Talent beim Fußballspiel aufmerksam geworden ist. Jabu wird in die Auswahlmannschaft für den bevorstehenden Streetsoccer-Weltcup aufgenommen, unter der Auflage, dass er sich von Drogen und von der Straße fernhält. Er kommt zusammen mit anderen südafrikanischen Jugendlichen, aber auch vielen Flüchtlingen in einem Jugendzentrum unter. Auch hier herrschen anfangs rassistische Spannungen, doch der Trainer schafft es nicht nur, die Jugendlichen zu einer Mannschaft zusammenzuschweißen, sondern bringt sie auch dazu, sich ihren Ängsten und dem Misstrauen gegeneinander zu stellen und die verbreitete Xenophobie zumindest im kleinen Maßstab zu überwinden. Für Jabu wird das Fußballturnier zur Chance seines Lebens, und als er im Endspiel steht, ist er sicher, dass er seine Zukunft auch nach dem Abpfiff positiv wird gestalten können.
Ein bedrückend realistisches, dabei jedoch absolut fesselndes und lesenswertes Buch mit auch vielen leichteren und schönen Momenten; die Handlung wird in authentischer Sprache aus Sicht des fiktiven Ich-Erzählers Jabu präsentiert, doch der Autor Michael Williams bezieht sich auf reale politische Ereignisse des Jahres 2008, die in einem Nachwort erläutert und in Bezug zur erzählten Geschichte gesetzt werden. Auch zahlreiche im Text verwendete Fremdwörter sind in einem Glossar erklärt. Der Roman verbindet somit eine spannende und berührende Geschichte mit der authentischen Dokumentation über einen in Europa nicht allzu präsenten Krisenherd, der nichtsdestoweniger gleichermaßen beachtenswert und wichtig ist wie die populäreren Themengebiete aktueller Jugendromane.
*Info: Carlsen*
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Autorin / Autor: fabienne - Stand: 28. Januar 2013