Mit den Möwen fliegen

Autorin: Hilde Kähler-Timm

In ihrem Buch „Mit den Möwen fliegen“ erzählt Hilde Kähler-Timm das Schicksal des russischen Straßenkindes Kostja. Als Kostja von daheim wegläuft hat er nichts, kein Essen kein Geld und vor allem kein zu Hause mehr. Aber da trifft er Radek, der gibt ihm alles: Ein Bleibe bei anderen Obdachlosen, geklautes Essen, und manchmal haben sie auch Geld durch Betteln oder Betrügereien. Um die Art des Lebensunterhaltes zu beschönigen, nennen sie dies alle nur „Besorgen“.

*Kostjas, Radeks und Lidas Weg*
Die zwei Freunde wachsen durch ihr gemeinsames Schicksal immer mehr zusammen, und als sie Kostjas Schwester Lida treffen, schmieden sie sogleich Zukunftspläne.
Doch als der Winter hereinbricht und auch noch Lida von daheim weggelaufen ist - weil sie vom Vater geschlagen wurde - können die Straßenkinder nicht länger unterkommen. Ihre obdachlosen Freunde bringen sie zum Jugendamt, und von da aus kommen sie in ein Krankenhaus, werden untersucht und müssen auf einen Platz im Heim warten. Als schließlich einer frei wird, kommen sie in das Kinderheim „Bienchen“. Dort gefällt es Kostja zuerst gar nicht, aber sein Freund Radek macht ihm immer wieder Mut, und es wird auch nie langweilig mit ihm. Umso härter trifft es sie, als die beiden Jungen dann erfahren, dass Kostja zur Adoption freigegeben ist. Denn dieser möchte nicht von seinem Freund getrennt werden und auch ohne seine Schwester Lida, die in einem Heim für ältere Kinder ist, möchte er nicht in ein fremdes Land ziehen. Aber als es eines Tages doch soweit ist, und er seine neuen Eltern und Schwester aus Deutschland kennen lernt, fühlt er sich gleich wohl bei ihnen. Nach dem Erledigen der ganzen Formalitäten ist es endlich soweit, Kostja darf fliegen - wie eine Möwe. Nie hätte er geglaubt, dass sein Traum einmal wahr werden würde. In seinem neuen wunderschönen Zuhause vergisst er allmählich seine Vergangenheit und seine Muttersprache.

*Hintergrund der Story*
In Russland leben Tausende von Straßenkindern, die nicht nach Hause zurück können, keinen Heimplatz finden und auch vom Staat keineswegs unterstützt werden. Die Geschichte von Kostja spielt in Kaliningrad und stellt genau solch ein Leben dar – allerdings mit einem glücklichen Ende, der Adoption durch eine deutsche Familie. In Hilde Kähler-Timms Bekanntenkreis ist genau das passiert. In den 90er Jahren hat eine Freundin ein russisches Straßenkind aus Kaliningrad adoptiert. Die Geschichte von diesem heute erwachsenen Mann hat die Schriftstellerin sehr bewegt, und deshalb hat sie diesen Roman verfasst. Darüber hinaus recherchierte sie sehr viel über die Straßenkinder Russlands. Die unmenschlichen Verhältnisse, unter denen die Kinder leben müssen, sind äußerst erschreckend. Um zu überleben müssen sie betteln, stehlen und in der Kanalisation hausen. Am Ende des Buches erzählt ein Mitarbeiter der Königsberger Hilfe von den schlimmen Zuständen auf der Straße und von der Möglichkeit zu helfen, um den Kindern ein normaleres Leben bieten zu können.

*Meine Meinung*
Es ist für uns sehr schwierig zu verstehen, unter welchen Bedingungen solche Kinder leben müssen, da wir eine sehr hohe Lebensqualität besitzen. Durch das Lesen dieses Buches wird man sehr schnell zum Verständnis gezwungen, weil man Kostja schnell in sein Herz schließt. Die Geschichte wird durch diesen Bezug zur Hauptfigur sehr viel greifbarer, und es fällt von vornherein weg, dass man das Stehlen, Betrügen und Betteln als schlimm empfindet. Es erscheint einem aus Mitleid nur als gerechtfertigt. Auch ist man entsetzt, wie wenig Unterstützung die Kinder von staatlicher Seite aus bekommen, sondern im Gegenteil im Stich gelassen und sogar als eine Art Bedrohung angesehen werden. Ich finde, dass „Mit den Möwen fliegen“ von Hilde Kähler-Timm ein sehr bewegendes, und aufrüttelndes Buch ist. Es sollte nicht nur von Kindern, sondern auch von Erwachsenen gelesen werden. Denn nur diese können wirklich etwas bewegen und müssen dazu erst verstehen, wie schlimm es um diese Kinder meist steht, wenn sie keinerlei Hilfe bekommen.

Autorin / Autor: annika-kristin - Stand: 8. März 2007