Kopftuch nur aus freiem Willen

Gemeinsame Stellungnahme fast aller islamischen Organisationen in Deutschland zur "Kopftuchdebatte"

Mehr als 60 islamische Organisationen in Deutschland haben sich in einer gemeinsamen Erklärung gegen die in mehreren Bundesländern geplanten Kopftuch-Verbote an Schulen ausgesprochen. Kein einfaches Unterfangen, wenn man bedenkt, wie unterschiedlich - vor allem die politischen - Einstellungen der Vereine sind.

In ihrer Erklärung sagen sie, es widerspreche dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Religionen, das Tragen von Kopftüchern zu verbieten, christliche Symbole im Unterricht aber zu erlauben, erklärte der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Baden-Württemberg, Riad Ghalaini, am Mittwoch in Stuttgart. Eigentlich hatte auch das Verfassungsgericht diesen Grundsatz schon betont und das Tragen eines Kopftuches unter den Schutz der Glaubensfreiheit gestellt. Da die Entscheidung über das Tragen des Kopftuches in den Schulen aber schließlich an die Länder delegiert wurde, kam es dazu, dass am 1. April Baden-Württemberg als erstes Bundesland im Schulgesetz ein Kopftuchverbot verankert hat. Begründung: das Kleidungsstück sei Symbol der Unterdrückung der Frau. Christliche Symbole hingegen sind aber weiterhin von dem Verbot religiöser Zeichen ausgenommen. Auch in Bayern, Niedersachsen und anderen Ländern sind ähnliche Gesetze geplant.

Das hatte schon vielerorts zu Diskussionen und heftigen Protesten geführt. Gestern schlossen sich dann fast alle islamischen Organisationen in Deutschland zusammen, um eine gemeinsame Position zu vertreten. Dabei fordern sie, dass der deutsche Rechtsstaat sich "gemäß seinem in der Verfassung verankerten Selbstverständnis in religiösen, nicht dem Grundgesetz widersprechenden Fragen neutral zu verhalten" hat und sich daher weder für noch gegen eine bestimmte Religion engagieren darf. Die unterzeichnenden Organisationen stimmen sogar auch darin überein, dass das Tragen oder Nicht-Tragen eines Kopftuches nicht über die Zugehörigkeit eines Menschen zum Islam entscheidet. Damit geben sie auch ein deutliches Zeichen nach innen, denn sie lehnen es offiziell ab, dass ein Kopftuch "Maßstab für die ethisch-moralische Bewertung wird, und zum Symbol für Integrationsbereitschaft oder Verfassungstreue eines Muslims" herangezogen wird. Auch wenn es ein islamisches Gebot gibt, das Frauen das Tragen des Kopftuches empfiehlt, sollten Frauen doch "nach unserer Überzeugung ein Kopftuch nur aus freiem Willen tragen. Diskriminierungen wegen des Nicht-Tragens eines Kopftuches lehnen wir genauso ab, wie Diskriminierungen wegen des selbstgewählten und selbstbestimmten Tragens eines Kopftuches", heißt es in ihrer Erklärung. Möglicherweise distanzieren sie sich öffentlich von ultrarechten Strömungen mancher muslimischer Organisationen.

Die Organisationen fordern Länder und Bund auf, "religiöse Vielfalt in der Schule als Mittel für die Einübung von gegenseitiger Toleranz zu beherzigen und darüber hinaus in Zusammenarbeit mit den Vertretern der Muslime in Deutschland ein ganzheitliches Konzept zur Integration und 'Einbürgerung' des Islams in unserem Land zu erarbeiten. Es gilt eine weise und zukunftsträchtige Politik zu gestalten, die der Vielfalt und Pluralität unserer Gesellschaft gerecht wird und in der auch die Muslime als Bereicherung angenommen werden."

Hier die Stellungnahme im Wortlaut

Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 23. April 2004