Warum der internationale Mädchentag am 11. Oktober immer weiter wichtig bleibt
Es gibt einen Weltkindertag und einen Weltfrauentag - wozu braucht es denn da noch extra einen für Mädchen? Ganz einfach! Weil die Belange von Mädchen weder in der einen, noch in der anderen Kategorie ausreichend gesehen werden. Und weil die Tatsache, als Mädchen geboren zu sein, in vielen Ländern nach wie vor alles andere als ein Glücksfall ist. Ein paar Fakten gefällig?
Weltweit besuchen 34 Millionen Mädchen im Grundschulalter generell nicht die Schule. Besonders in Krisensituationen, nach einer Naturkatastrophe oder in Kriegen, leidet die Bildung von Mädchen besonders. Laut Unicef ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie in einer solchen Notlage nicht mehr zur Schule gehen, mehr als doppelt so hoch wie bei Jungen.
Dazu kommen in vielen Ländern Genitalverstümmelungen, Kinderehen, frühe Schwangerschaften und sehr, sehr viele Gewalterfahrungen: 15 Millionen Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren sind weltweit schon Opfer von sexueller Gewalt geworden - nicht nur in armen Weltregionen, sondern auch in priviligierten Ländern. Oft ist der Täter jemand aus dem nahen Umfeld des Mädchens – oder sogar der eigene Ehemann, zum Beipiel bei Kinderehen.
Überhaupt werden Mädchen weltweit in ihren Familien oft weniger wertgeschätzt und haben weniger Freiheiten, dafür dürfen sie dann aber mehr im Haushalt arbeiten: 550 Millionen Stunden pro Tag arbeiten Mädchen zwischen fünf und 14 Jahren weltweit, laut UNICEF-Schätzungen.
Die Liste ließe sich noch beliebig fortsetzen und zeigt, dass es richtig ist, dass seit 2012 jährlich am 11. Oktober der Welt-Mädchentag begangen wird, der an solche Misstände erinnert und sie anprangert. Ausgerufen wurde er von den Vereinten Nationen(UN) auf Initiative von Plan International.
Stärke im Mittelpunkt
2018 initierte die Kinderhilfsorganisation Plan International mit der Kampagne "Girls Get Equal" (Mädchen werden gleichberechtigt) eine neue globale Kampagne für die Rechte von Mädchen: damit soll nicht mehr so sehr die Benachteiligung in den Fokus gestellt werden, sondern die Stimmen, Stärken und das Führungspotential von Mädchen und Frauen. Im Zuge dieser Kampagne fordert Plan auch eine gleichberechtigte Darstellung dessen, was Frauen und Männer sind oder sein können, zum Beispiel in den Medien und der Werbung.
Im neuen Welt-Mädchenbericht “Schreib ihre Geschichte neu! Wie Filme und Stereotype in den Medien das Leben und die Ambitionen von Mädchen und jungen Frauen beeinflussen“ hat Plan International die 56 umsatzstärksten Filme aus 2018 in insgesamt 20 Ländern auf Genderstereotype untersucht. Dabei kam heraus, dass keine einzige Frau bei den Top-Filmen Regie geführt hat und nur bei jedem zehnten Film eine Frau am Drehbuch beteiligt war. Männer reden doppelt so viel und haben auch doppelt so viele Rollen in den Filmen. Zahlenmäßig übertrumpfen Frauen die Männer nur in einem Punkt: Sie sind viermal so oft nackt und doppelt so häufig halbnackt zu sehen.
Untersucht wurden jeweils die zehn Top-Filme in insgesamt 20 Ländern mit Hilfe eines Softwaretools des Geena Davis Instituts, das präzise ermitteln kann, in welchem Verhältnis weibliche und männliche Darsteller in einem Film auftreten und wie hoch ihr Redeanteil ist. Die Filme waren Produktionen aus den USA, Indien und dem Spanisch sprechenden Raum.
Die wichtigsten Ergebnisse zu den 56 untersuchten Top-Kinofilmen 2018:
Frauen werden häufiger als Sexobjekte portraitiert: In 15% der Filme gibt es Szenen, in denen die Kamera langsam über ihre Körper fährt. Bei Männern nur in 4% der Fälle.
In den untersuchten Filmen gibt es doppelt so viele männliche wie weibliche Rollen. Dementsprechend beträgt auch der männliche Redeanteil in den Filmen 67% im Vergleich zu 33% bei den Frauen. Kein Wunder, dass Männer in den Filmen dann auch häufiger als Führungspersönlichkeiten porträtiert werden.
Von Männern gemacht
Auch die Zahlen, die die Produktion betreffen, sprechen für sich: Nicht ein einziger der weltweit 56 umsatzstärksten Filme von 2018 wurde unter der Regie einer Frau gedreht. Lediglich ein Viertel der Filme wurde von einer Frau produziert. Und nur bei jedem zehnten Film war eine Frau am Drehbuch beteiligt.
Mädchen und junge Frauen wünschen sich weibliche Vorbilder
Was macht das mit Mädchen und jungen Frauen? Für den Girls‘ Report 2019 wurden Mädchen aus den untersuchten Ländern gebeten, einen Film ihrer Wahl zu schauen und ihn zu kommentieren. Die Statements zeigen, Mädchen wünschen sich eine Vielfalt von Identitäten und Erfahrungen sowie starke weibliche Vorbilder auf der Leinwand:
21-Jährige aus Vietnam: „Regisseure sollten nicht nur Liebes-, Familien oder Heiratsgeschichten mit Mädchen und Frauen drehen, sondern zeigen, welche Träume, Ambitionen und Karrierewünsche sie haben.“
17-jähriges Mädchen aus Kanada über „Captain Marvel“: „Die Superheldin in Captain Marvel ist unglaublich und ein Vorbild für so viele Mädchen. Alle sprechen darüber, wie sehr sie alles unter Kontrolle hat. (…) Einige sagen, dass es zu viel ist. Wenn Männer machtvolle Rollen haben, wird einfach nur applaudiert.“
22-Jährige aus Senegal über die „Harry Potter“ Filme: „Hermine ist entschlossen, sie ist intelligent und smart. Sie verhält sich nicht so, wie es von Frauen erwartet wird.“
19-Jährige aus Uganda: „In allen Filmen, die ich sehe, brauchen Mädchen die Hilfe von Jungen oder Männern. Und sie erreichen nichts, während Jungen alles bekommen, was sie möchten.“
18-Jährige aus Indien: „Frauen werden meistens auf Tanzrollen reduziert und als begehrte Objekte dargestellt. Wenn es um Politiker geht, sind es immer Männer, die diese Rollen spielen. … Auf der Leinwand und im richtigen Leben werden Frauen entwertet. Das muss sich ändern.“
Deshalb empfiehlt Plan International: "Mädchen können nur werden, was sie sehen und was ihnen vorgelebt wird („To be it, they must see it.”) Wie Frauen - und Männer - zu sein haben, lernen Menschen auch über die Inhalte, die sie umgeben: in Schulbüchern, in der Werbung, in Film und Fernsehen oder über soziale Medien. Wir brauchen Filme und Geschichten, in denen Mädchen und junge Frauen gleichberechtigt vorkommen und in Rollen gezeigt werden, die eine Vorbildfunktion für Zuschauer_innen haben können. Geschichten von und über Frauen „an der Spitze“, als Anführerinnen, Wegbereiterinnen und Chefinnen."
Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 11. Oktober 2019, aktualisiert: 3. April 2023