Ein nachdenklicher Abend

Einsendung von Konstantin Schoser, 16 Jahre

Endlich! In dieser schrecklichen Zeit kehren die Menschen wieder zurück nach Hause, kommen der Familie näher, können ihr früheres und eigentliches, freies Leben viel mehr wertschätzen und endlich hat unsere Erde, im Angesicht des Todes so vieler Menschen, wieder die Chance auf ein eigenes Überleben. Ich habe die Nachricht, dass die Klimaziele durch Corona wieder erreichbar geworden sind, gerade eben auf Instagram gesehen.

Es dämmert bereits, aber um diese stetigen Kopfschmerzen wegzubekommen, gehe ich noch eine Runde am Rhein joggen.

Da vorne die Bar am Ende der Altstadt Kölns. Man sieht nur wenige Gestalten, nicht die sonstigen Touristenscharen. Was eine verrückte Zeit! Ich komme vorbei an dem Ort, wo sich mehr als 10 000 Menschen versammelt hatten, um des gewaltsamen Todes von George Floyd zu erinnern und auf Polizeigewalt aufmerksam zu machen.

Mittlerweile ist aus dem Laufen nur noch ein Schlendern geworden.

Wie sinnvoll sind eigentlich diese Demonstrationen? Na klar, man setzt Statements und kann Druck auf die Regierung oder andere ausüben, aber das Ergebnis ist doch so oft so gering und der Aufwand so hoch. Die Menschen, die immer wieder bei den Demonstrationen in Belarus sterben oder auch „nur“ der unglaubliche Organisationsaufwand für die FFF-Demonstrationen; gerade zu Zeiten dieser Pandemie.

Ich bleibe stehen.

Ich habe einen wunderschönen Blick über Köln. Auf der anderen Rheinseite blitzen und blinken tausend Lichter, und durch die Spiegelung im Rhein werden sie zu Millionen. Was kann man als kleine Gruppe gegen eine riesige Anzahl erreichen? Wie kann man alle überzeugen mitzumachen? Einen gemeinsamen Kampf für unser aller Heimat gegen diese verdammte Umweltverschmutzung!

„Ein Kampf?“
„Natürlich nicht so ein Kampf!“

Oder doch? Wie weit muss man, kann man und darf man gehen?

Ich reiße mich los und gehe weiter.

Ein Rewe! Das ganze Denken hat den Kopfschmerzen nicht unbedingt entgegengewirkt, also hole ich mir lieber mal etwas zu trinken. Beim Eintreten fällt mir auf, dass ich meine Maske vergessen habe. Dass mir das immer noch passiert…. Diese scheiß Zeit, über die man wahrscheinlich erst in 50 Jahren lachen kann. Wenn wir da noch lachen können…. Jetzt mal nicht so pessimistisch werden!

Ich entschuldige mich beim Security-Mann und gehe nach Hause. Es ist schon viel zu spät geworden.

Der schnellste Weg führt über die Ringe, entlang am Rudolfplatz.

Ich höre grölende Stimmen und drehe mich zur Seite.

Vor dem Vapiano auf dem Platz stehen locker 50 Leute und feiern eine schöne Coronaparty. Glückwunsch! Wegen solcher egoistischen Idioten kommen wir nie aus dieser beschissenen Coronakrise heraus.
Kommen wir wegen dieser extrem menschlichen Charaktereigenschaften auch nicht aus der Klimakrise heraus?

Das Blöde in diesem Fall ist, dass sich dieser Egoismus bei der Klimakrise viel zu oft bei Menschen zeigt, die ein bisschen mehr Macht und Einfluss haben als diese paar Trottel da vor mir. Trotzdem. Plötzlich werde ich richtig wütend. Natürlich kann ich sie verstehen. Ich würde auch gerne mal wieder Party machen, aber das ist halt einfach nur unsolidarisch! Soll ich einfach mal das Ordnungsamt rufen? Ne, das erledigt bestimmt schon längst irgend so ein Almann für mich.

Mich zieht es weiter.

Bei solchen Kontrollfreaks muss ich immer an die ganzen DDR-Dokus denken. Ein fabelhaftes Beispiel übrigens, um darzustellen, dass selbst ein absoluter Kontrollstaat nicht in der Lage war, die Menschen zu einer Meinung und einem Denken zu zwingen. Wie bringt man dann jetzt aber alle Menschen dazu, an den Klimawandel zu glauben? So dass sie dann aus eigener Überzeugung nachhaltig leben und Maßnahmen gegen den Klimawandel befürworten? Selbst die Aussage „mehr als 90% der Klimawissenschaftler sagen, dass es den Klimawandel gibt“ überzeugt nicht. Aber dann an einen Gott aus einem tausendmal umgeschriebenen Buch glauben…ich verstehe die Menschen nicht.

Ich gehe die Straße, in der ich wohne, hinunter.

Und wieso denke ich, ein 16-jähriger Junge aus Köln, eigentlich montags abends über so ein Zeug nach? Wurde mir wirklich meine Kindheit oder genauer meine Jugend gestohlen, wie es Greta Thunberg so schön gesagt hat? Irgendwie lautet meine Antwort „ja“. Ich weiß nicht, ob Selbstzweifel, Depression, Angst und Wut in anderen Generationen so präsent, wie in meiner, waren. Natürlich werden diese Probleme auch von sozialen Medien unheimlich verstärkt, aber die Klimakrise ist ein stetiger Verursacher von bedrückenden Gefühlen. Ich denke an den Familienurlaub vom letzten Jahr in Frankreich zurück. Es war unglaublich schön, aber im Hinterkopf klang immer wieder ein kleiner Vorwurf:
„Warum seid ihr mit dem Auto gefahren? Du weißt doch, wie schlecht das für die Umwelt ist! Ist das wirklich nötig?“
„Wenigstens besser als Fliegen!“
„Aber schlechter als Zugfahren oder Zuhause bleiben!“
und so weiter.

Zum Beispiel dieses stetige schlechte Gewissen. Da hat die Klimakrise für mich – und ich denke ich bin da nicht alleine (ein Gefühl, das man aktuell selten genug hat) – einen großen Einfluss auf das Glücklichsein in meiner Jugend. Heute Abend werde ich die Welt aber nicht mehr retten können.

Ich stehe vor meiner Haustür.

Da sehe ich oben in dem Fenster von meinem Schlafzimmer das Licht brennen.
„Shit, ich habe vergessen, das Licht auszumachen, als ich gegangen bin!“



Autorin / Autor: Konstantin Schoser, 16 Jahre