Warum liebst du mich nicht?

Beitrag zum Kreativ- und Schreibwettbewerb "Das ist mir was wert" von Sophia Casser, 18 Jahre

Ich bin diese Blume, diese wunderschöne Blume mit dem verdrehten Stängel und den gepunkteten Blättern.
Warum liebst du mich nicht?

Du vergleichst, kritisierst und zermalmst mich unter deinem Schuh. Du schämst dich für mich. Du schaust dir diese Bilder an von den anderen, den anderen, immer den anderen.
Warum liebst du mich nicht?

Du stellst dich in meine Sonne, nimmst mir mein Licht bis ich klein bin, dünn bin, verkümmert bin. Du verbiegst meinen verdrehten Stängel gerade. Ich kriege kaum noch Wasser, verdurste. Du willst, dass ich aussehe, wie die anderen, die anderen, immer die anderen.
Warum liebst du mich nicht?

Du bist mein Freund, mein Vertrauter. Wir sind doch verbunden. Du fühlst dich von mir gefesselt, bedrängt, geschwächt. Du hast mich nicht ausgesucht. Pflücken, besitzen, Freundschaft willst du mit den anderen, den anderen, immer den anderen.
Warum liebst du mich nicht?

Du wendest dich von mir ab. Du lässt mich zurück. Aber ich bin der Boden, auf dem du stehst, dein Zuhause, dein Leben, dein Körper.
Ich schreie: „Bleib hier. Ich bin schön.“
Du bleibst stehen.
Ich sage: „Ich bin auch eine von den anderen, den anderen, von den wunderschönen anderen Blumen. Warum liebst du mich nicht?“
Du sagst: „Die anderen haben mir gesagt, dich kann man nicht lieben.“

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