Trügerisches Selbstbild

Warum andere manchmal mehr über einen wissen als man selbst

Haltet ihr euch für absolute Experten, was eure eigene Person angeht?
Glaubt ihr, dass niemand euch so gut kennt, wie ihr selbst? Möglicherweise ist diese Annahme nicht ganz richtig, auch wenn die meisten Menschen und auch viele Psychologen immer ganz sebstverständlich davon ausgegangen sind. Die Psychologin Simine Vazire von der Washington University ist nun
zu der Erkenntnis gelangt, dass wir gar nicht unbedingt die Allwissenden in Bezug auf unsere Persönlichkeit sind, wie wir immer dachten. Zwar sind wir bestens über unsere innersten neurotischen Züge wie etwas Ängstlichkeit informiert. In Sachen Intelligenz und Kreativität aber, sind Vazire zufolge eher Freunde und sogar Fremde die besseren Sachverständigen.

Die Psychologin erklärt: "Persönlickeit ist nicht das, was du glaubst, was du bist, sondern was du bist."
Persönlichkeit", sagt Vazire, "ist in vielen Dingen enhalten, die wir tun:
zum Beispiel in der Kleiderwahl, in der Art, wie das Schlafzimmer gestaltet ist, auf Webseiten und in Facebook-Profilen. Alles, was du berührst, hinterlässt eine Spur deiner Persönlichkeit. Du hinterlässt unbeabsichtigt Spuren. Du gibst Hinweise auf deine Persönlichkeit, die du nicht einmal selbst siehst."

Aufgrund dieser Annahmen entwickelte Vazire das SOKA-Modell (self-other knowledge asymmetry), mit dem sie zeigen wollte, dass Freunde und Bekannte zwar unsere Gefühle und Ängste nicht unbedingt lesen können - die können wir ja auch gut verbergen und überspielen - aber treffsicherer sind als wir selbst, wenn es um Eigenschaften geht, die auch nach außen sichtbar werden. Sie überprüfte ihr Modell in Tests mit Freiwilligen, die sich und andere in verschiedenen Situationen anhand eines Persönlichkeitsfragebogens bewerten sollten und außerdem einen IQ-Test und einen Stresstest bewältigten mussten, in dem es um die Einstellung zum eigenen Körper ging.

Schwierig, die eigene Intelligenz einzuschätzen

Wie Vazires Modell vorhergesagt hatte, konnten andere besser einschätzen, wie intelligent oder kreativ eine Person ist als die Person selbst.
Nach Vazires Ansicht hat das Selbst vor allem ein Problem damit, besonders wünschenswerte oder gar nicht wünschenswerte Aspekte der eignenen Persönlichkeit einzuschätzen. Es ist natürlich nicht so bedrohlich, einer anderen Person Intelligenz oder Attraktivität abzusprechen, als sich selbst einzugestehen, dass man nicht besonders helle im Kopf ist oder nicht so toll aussieht.

Vazire resümiert, dass andere Menschen Dinge von uns wissen, die wir selbst nicht wissen. Andersrum gibt es natürlich Dinge, von denen sie nichts ahnen. Dadurch kommt es zu vielen Missverständnissen und unterschiedlichen Wahrnehmungen. Es kann also passieren, dass wir uns völlig daneben benehmen und von unserer Umwelt auch so wahrgenommen werden, innerlich dabei aber das Gefühl haben, die freundlichsten Menschen der Welt zu sein.
Wenn ihr auf solche Abweichungen zwischen eurem eigenen Gefühl und der Einschätzung durch andere begegnet, solltet ihr mal beobachten, wie ihr euch tatsächlich verhaltet. Denn das Verhalten ist die Realität, nicht das Gefühl, das ihr dabei habt.

Vazire’s Studie wird in der Frebuarausgabe der Fachzeitschrift "Personality and Social Psychology" veröffentlicht.

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Autorin / Autor: Redaktion / Pressemitteilung - Stand: 1. März 2010