Wie ein Splitter im Mosaik

Autorin: Nikola Huppertz

Buchcover Wie ein Splitter im Mosaik

-“Das Klappern der Steinchen“- wenn man mit dem was man denkt nicht mehr zurecht kommt und nicht mal Musik hilft...

Zuerst hört es sich wie eine einfache Familiengeschichte an: „Sie halten zusammen, egal was kommt“. Der Klappentext des Buches verrät nicht so viel, man erfährt, dass die fünfzehnjährige Lioba Probleme mit ihrem Vater hat, der aber wieder in das Leben mit ihrer Mutter und der jüngeren Schwester Martha eintritt. Außerdem, dass Lioba ihre Probleme mit Orgelspielen löst, dass ihre Mutter, ihre Schwester, ihre Oma und sie einen starken Zusammenhalt haben.

Warum diese Geschichte einen faszinieren sollte?
- Weil der Titel verspricht, dass viel mehr hinter diesen oberflächlichen Fakten steckt.

Und so ist es auch!

Das glaubt ihr mir nicht?
Ein Zitat: “Aber vielleicht werden wir ja alle strohdumm, sobald es um uns selber geht“
- Ein Satz über den man lange nachdenken könnte.

Und noch mehr:
Durch das ganze Buch hindurch zeigt sich Menschenkenntnis und eine Verbindung zur Musik, es gibt zu der Geschichte eine Playlist, die man sich während des Lesens oder danach anhören kann. Auch das Buch ist mit Rückblenden in die Vergangenheit Liobas, „Interludium“ betitelt, in der Struktur durch Musik geprägt und endet daher auch mit einem „Präludium“, aber keine Angst: es ist keine Fachliteratur zur Musik, sondern nur durch Liebe zur Musik geprägt, mehr ist da nicht. Versprochen.

Die Geschichte an sich ist aus der Perspektive der fünfzehnjährigen Lioba geschrieben und das ist das interessante, denn obwohl es in der Alltagssprache einer Fünfzehnjährigen geschrieben ist, finden sich immer wieder tiefgehende und klare Gedankengänge, Beziehungen zu anderen Menschen, die auseinander genommen werden, aber auch eine gründliche und mutige Ehrlichkeit, die Lioba zu eigen ist. Das macht das Buch besonders.

Neben den Problemen mit dem Vater ist das Leben für Lioba manchmal auch schwieriger, da ihre Oma demenzkrank ist und sie sich öfter um sie kümmert, die Geschichte macht es aber aus, dass Alltagssituationen, alles was einen ärgern und freuen kann, beschrieben werden. Jeder kann sich in Lioba wiederfinden, in ihren Gedankengängen oder zumindest es nachfühlen und verstehen. Auch das ist das Besondere. Dazu kommt, dass durchweg die Umgebung gut beschrieben wird, sodass man in die Geschichte, auch durch die Playlist, gut eintauchen kann. Man hat das Gefühl, dass Lioba ein Mädchen sein könnte, das man kennt und von der man gerade einen langen Brief liest.

Dieses Gefühl wird auch dadurch vermittelt, dass die Geschichte abwechslungsreich erzählt wird, mit abgedruckten E-Mails, Sms und Tagebucheinträgen, das macht das Lesen spannend und lässt einen noch mehr verstehen, wie Lioba denkt und fühlt.

Unter anderem durch die Freundschaft zu Flo, Liobas bestem Freund, gibt es auch viele lustige Stellen im Buch wie: „Aber tot ist er nicht zufällig?“ „Nicht, dass ich wüsste“, „Bernhard zwinkert Helene zu, dass Lioba sich vage fragt, ob der Blaubeergliber von ihrer Torte sich nicht gut in seinem Sozialmenschengesicht machen würde“, „Matthias heißt übrigens: Gabe des Herrn. Ich habe schon meine Gründe, nicht an Gott zu glauben. (Sorry, kleiner Jesus)“, „Boah, Uli, was soll das Gesülze!“, die letzte Stelle zeigt außerdem, wie stark Lioba als Charakter ist.

Darin liegt für mich das Schöne in der Geschichte, weil darin erkennbar ist, wie stark und gefestigt Lioba ist - in ihrer Meinung und ihrer Ehrlichkeit. Sie sagt, was sie denkt, auch wenn es für andere unangenehm sein könnte: “Lioba fasst sich an die Stirn. „Der Typ hat sich wegen der erstbesten Tusse vom Acker gemacht“.

Gleichzeitig ist Lioba differenziert beschrieben, im ganzen Buch ist spürbar, wie sehr sie ihre Schwester Martha liebt, wie sehr sie daran hängt, sich mit ihrer Mutter gut zu verstehen. Dies hält sie aber nicht davon ab, klare Worte zu finden, wenn sie etwas stört.

Das faszinierende an dem Buch ist, dass sich sowohl Alltag und Gedanken in einem verbinden, einmal wirkt Lioba sehr nachdenklich und erwachsen, das andere mal flucht sie ordentlich rum oder ist wütend, weil ihre Mutter sich nicht gut verhält, es ist spannend das zu lesen.

Es gibt viel Schönes in dem Buch, Sätze wie: „Was für ungeahnte Dinge zutage befördert werden, wenn ich es versuche“ oder auch: „Das, was einen Menschen wirklich ausmacht, verändert sich eben nie- und kommt immer dann zum Vorschein, wenn sich nichts Störendes mehr darüberlagert“. Es sind solche Sätze über die man dann lange nachdenkt und die einem selbst auch Mut geben, auch wenn es „nur“ ein Roman ist.

Man merkt, dass die Autorin ihre Figuren in dem Buch geliebt hat beim Schreiben, dass sie in der Geschichte tief drin war, dass sie erfahren ist und deshalb gelingt es ihr auch so gut, Alltag und gedankenvolle Sätze zu verbinden.

Und jetzt kurz zusammengefasst:
Ein Buch, das tief geht, gerade wegen der Ehrlichkeit und den Geschichten im Alltag, mit den klugen Gedanken, die anregen und einen Wiederklang finden und dadurch neue Melodien entwerfen - auch für einen selbst, im eigenen Kopf.

Und um mit einem Zitat aus dem Buch zu enden:
„Und worüber sich auch noch nie einer die Mühe gemacht hat, ein Buch zu schreiben, weil es nämlich bloß um das ganz-normal- bescheuerte Leben geht und um normal-bescheuerte Leute, hier und jetzt und ohne Fiktion“.

*Erschienen im: Gabriel Verlag*

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Autorin / Autor: writer-girl - Stand: 13. November 2012