Tom Boy

Der französische Spielfilm „Tomboy“ von Céline Sciamma, wurde 2011 auf der Berlinale zum ersten Mal gezeigt. Danach lief er im französischen Kino bevor er im Mai 2012 auch in Deutschland im regulären Programm zu sehen war. Er wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet, vor allem von Schwul/ Lesbischen Filmfestivals.

Als „Tomboy“ bezeichnet man ein Mädchen, mit Verhaltensweisen und Kleidervorlieben, die eher dem gesellschaftlichen Rollenbild eines Jungen entsprechen (z.B. kurze Haare, keine Kleider tragen, Fußball spielen und Interesse für Wissenschaft und Technik).

„Tomboy“ beginnt mitten im Leben einer glücklichen, französischen Kleinfamilie: Laure und ihre kleine Schwester Jeanne werden bald einen Bruder bekommen und sind gerade mit ihren Eltern umgezogen. Laure ist etwas 12 und ein „Tomboy“ während ihre Schwester Jeanne, die etwa 5 Jahre alt ist, ein typisches Mädchen ist. Wer hier schon einen Konflikt vermutet liegt falsch: nicht nur die Eltern akzeptieren Laures Vorliebe für vermeintlich männliche Kleidungsstücke und Aktivitäten, sondern auch Jeanne liebt ihre Schwester heiß und innig.
Da die Schule noch nicht wieder angefangen hat, hat Laure viel Zeit, um die neue Nachbarschaft zu erkunden. Sie bekommt von ihrer Mutter den Schlüssel zu der neuen Wohnung überreicht, damit sie kommen und gehen kann, wie sie möchte – eine Geste, die wie symbolisch dafür steht, dass die Eltern ihrer Tochter jegliche Freiheit lassen und sie in ihrer Rolle als Tomboy akzeptieren.

Als Laure die anderen Kinder in der Gegend kennenlernt, halten diese sie für einen Jungen. Laure klärt sie nicht auf und gibt sich als „Michael“ aus. Sie spielt mit den Jungs ohne Trikot Fußball und imitiert deren „Spucken“ auf den Platz und einige andere Gesten, wie das „Hose-hochziehen“. Außerdem trifft sie Lisa. Zwischen Lisa und „Michael“ bahnt sich eine zaghafte Liebe an und irgendwie hat Laure ihr Doppelleben perfekt im Griff. So perfekt, dass man als Zuschauer die ganze Zeit erwartet, alles müsse wie ein Kartenhaus zusammenbrechen. Etwa als Laure beim Schwimmen, ihren Badeanzug zu einer Badehose umfunktioniert und sich einen aus Knete gebastelten Penis in die Hose steckt…

„Tomboy“ ist ein unheimlich ruhiger, fast schon wortkarger Film. Beeindruckend ist vor allem die Darstellung von Zoé Hèran als Titelheldin Laure, sie macht einen großen Teil des Filmcharmes aus. Aber auch die anderen Darsteller überzeugen mit viel Natürlichkeit. Laures bzw. Michaels Freundin Lisa etwa ist keinesfalls ein „typisches“ mädchenhaftes Mädchen, sondern strahlt eine angenehme Selbstsicherheit und Charakterstärke aus, die vor allem am Ende des Films bedeutend wird.

Es macht einfach glücklich Laure und ihre Familie zu sehen: nach diesem Film, möchte man am liebsten auf einen großen Berg steigen und kluge Dinge über Toleranz oder Geschlechterklischees ins Tal rufen.

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Autorin / Autor: Kiko - Stand: 10. September 2012