Täter aus Erinnerung

Studie: Wie Befragungen das Gedächtnis auf eine falsche Spur bringen

Wie kann es passieren, dass Menschen Verbrechen gestehen, die sie gar nicht begangen haben? Dieser Frage sind Wissenschaftlerinnen der britischen University of Bedfordshire in einer experimentellen Studie nachgegangen und sind dabei auf eine überraschende Erkenntnis gestoßen: Werden Menschen auf eine bestimmte Weise befragt, dann haben sie am Ende genauso lebendige Erinnerungen an ein Verbrechen, das in Wirklichkeit nie stattgefunden hat, wie an real geschehene Dinge.

Für ihre Studie kontaktierten die Psychologinnen die Erziehungsberechtigten von Universitäts-StudentInnen und baten sie, über Fragebögen möglichst detaillierte Auskunft über Ereignisse aus deren Zeit zwischen dem 11. und dem 14. Lebensjahr zu geben. Es wurden dann 60 Studentinnen ausgewählt, die noch nie mit einem der Delikte zu tun gehabt hatten, die ihnen in der Studie als falsche Erinnerungen untergejubelt werden sollten.

Die Testpersonen wurden dann zu drei 40-minütigen Befragungen ins Labor eingeladen. Bei der ersten Befragung wurde über zwei Ereignisse aus der Jugend des Befragten berichtet, allerdings hatte nur eines dieser Ereignisse tatsächlich stattgefunden. Bei manchen StudentInnen wurde ein kriminelles Ereignis hinzugedichtet (z.B. ein Diebstahl oder eine Körperverletzung), bei anderen wurde ein emotionales Erlebnis erfunden (eine schwere Beleidigung oder die Attacke eines Hundes), das der Betroffene angeblich erlebt hätte.

Die Forscherinnen schmückten die erfundenen Erlebnisse allerdings mit wahren Details aus, die sie den Fragebögen der Erziehungsberechtigten entnommen hatten. Die Teilnehmerinnen wurden dann gebeten, genauer auszuführen, was bei diesen beiden Ereignissen genau passiert war - bei dem wahren und dem falschen. Wenn sich die Testpersonen nicht so recht an das erfundene Ereignis erinnern wollten (wie auch?), dann ermunterten die Befrager sie, es dennoch zu versuchen und rieten ihnen bestimmte Gedächtnistechniken anzuwenden, um die verschollenen Erinnerungen wieder zu beleben.

Im zweiten und dritten Interview wurden die Testpersonen erneut zu den beiden angeblichen Ereignissen aus ihrer Jugend befragt und sie sollten außerdem angeben, wie lebendig die Erinnerung daran jeweils seien.

*Nicht begangene Verbrechen glaubwürdig erinnert*
Die Forscherinnen waren überrascht. Von den 30 Testpersonen, denen eine Missetat untergeschoben/angedichtet worden war, hatten 21 eine falsche Erinnerung an das vermeintliche Vergehen entwickelt. Von 20, die der Behauptung zufolge in eine Körperverletzung (mit oder ohne Waffe) verwickelt gewesen waren, konnten sich 11 sogar an die Verhandlungen mit der Polizei erinnern (die natürlich nie stattgefunden hatten). Auch in der Gruppe, deren Mitgliedern aufwühlende Erlebnisse untergeschoben wurden, entwickelte eine ähnliche Zahl von Testpersonen lebendige Erinnerungen. Verblüffenderweise waren beide erfundenen Ereignisse gleichermaßen glaubwürdig für die Testpersonen. Offenbar genügt schon ein vertrauter Name oder ein kleines "echtes" Detail, um bei den Betroffenen eine lebendige Erinnerung an etwas entstehen zu lassen, das sie de facto nie erlebt hatten.

*Immerhin: Mehr Vertrauen in echte Erinnerungen*
Es mag beruhigen, dass die Testpersonen aber zumindest mehr Details erinnerten, wenn es sich um wahre Begebenheiten handelte. Auch vertrauten sie mehr in ihr Erinnerungsvermögen, wenn es sich auf tatsächlich Erlebtes bezog.

Dennoch zeigt diese Studie eindringlich, wie wenig verlässlich das Gedächtnis ist. "Die Ergebnisse sprechen deutlich dafür, dass viele von uns in der Lage sind, umfangreiche falsche Erinnerungen an emotionale oder kriminelle Ereignisse zu entwickeln", sagt die Wissenschaftlerin Julia Shaw.

*Befragungstechniken untersuchen*
Die Erkenntnis, dass solche falschen Erinnerungen existieren und sogar bei völlig unbescholtenen Menschen so leicht zu erzeugen sind, sollte den Wissenschaftlerinnen zufolge Konsequenzen für Befragungen von Zeugen, Tatverdächtigen und andere Lebensbereiche haben, wo Menschen zu bestimmten Ereignissen befragt werden. Befragungstechniken müssten darum künftig genauer unter die Lupe genommen werden, um herausfinden, welche echte und welche falsche Erinnerungen herauskitzeln.

Und was sagt uns das? Dass Dinge, an die wir uns gaaaanz genau erinnern können, noch lange nicht in dieser Form stattgefunden haben müssen. Vielleicht hat uns da einfach jemand etwas eingeflüstert. Offenbar ist auf das menschliche Gedächtnis nur wenig Verlass.

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Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 26. Januar 2015