Der Geschmack von Advent

Advent, Advent, ein Lichtlein brennt...ich schluckte und wischte mir mit klammen Fingern über die Augen. Es war furchtbar kalt und ich fürchtete, dass meine Tränen auf meinen Wangen zu Eis gefrieren könnten. Erst eins...ich riss ungeschickt ein Streichholz an. Die kleine Flamme, die für kurze Zeit die kalte und feuchte Dunkelheit des Friedhofs vertrieben hatte, erlosch sofort wieder und es war erneut schwarz um mich. Erst beim dritten Versuch gelang es mir die große Kerze anzuzünden. Ich stellte sie behutsam auf das Grab zu meinen Füßen. Dann zwei...eine zweite Flamme gesellte sich zu der ersten.

Es war der 7. Dezember und gleichzeitig zweiter Advent. Vor genau 2 Jahren waren meine Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Und deshalb stand ich hier allein vor ihrem Grab und zündete Kerzen für sie an, anstatt in meiner warmen Wohnung mich zusammen mit Hannah, meiner Mitbewohnerin, vor den Fernseher zu kuscheln und dabei eine heiße Tasse Tee mit "Adventsgeschmack" zu trinken. Ich hatte keine Ahnung wonach Advent schmeckte, es interessierte mich nicht. Für mich schmeckte er jedenfalls nach dem Moder des Friedhofs und dem Salz meiner Tränen.

Die Lichter zuckten und tanzten im kalten Wind. Und wie ich da so stand und weinte und fror, musste ich auf einmal lachen. Ich hatte nicht nur Kerzen im Gedenken an meine verstorbenen Eltern angezündet, es waren auch gleichsam Adventslichter. Das mag nicht unbedingt lustig sein, aber für mich war es wie ein Zauber. Meine ganze gestaute Anspannung löste sich beim Anblick der kleinen, warmen Lichter auf dem Boden vor mir. Auf einmal hatte ich richtige Lust tatsächlich einen langen und gemütlichen Fernsehabend mit Hannah zu veranstalten und ich war plötzlich brennend daran interessiert zu probieren wie Advent schmeckte.

Ich drehte mich um und ging rasch auf das Tor zu. Dort drehte ich mich aber noch einmal um und blickte zurück. Am Grab meiner Eltern konnte ich nur noch schwach den Schein der Adventslichter sehen, die tapfer gegen die Dunkelheit ankämpften. Doch das waren nicht meine Lichter. Es waren die der Toten und ich wünschte ihnen einen wunderschönen und besinnlichen Advent. Dann kehrte ich den zwei Lichtern , die mich verzaubert hatten, den Rücken zu und machte mich voller Vorfreude auf den Weg nach Hause.

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Autorin / Autor: Julia Zacharias - Stand: 20. November 2008