Spielerischer Perspektivwechsel

Psychologische Studie zeigt: Verspielte Menschen haben Vorteile

Wenn Erwachsene sich kaputtlachen über einen Versprecher, sich über ein Gänseblümchen erfreuen, das am Bildschirm klebt oder sich für monotone Aufgaben ein kleines Spiel ausdenken, um an ihnen nicht zu verzweifeln, werden sie nicht selten von Kolleg_innen belächelt und nicht ernst genommen. Wie eine psychologische Studie jetzt zeigt, können Erwachsene ihren Hang zur Verspieltheit aber in vielen Situationen positiv nutzen. Sie seien gut im Beobachten, nähmen leicht neue Perspektiven ein und würden monotone Aufgaben für sich interessant gestalten, das fanden Psycholog_innen der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) heraus und beschreiben ihre Studie in der aktuellen Ausgabe der internationalen Fachzeitschrift "Personality and Individual Differences".

Während Verspieltheit bei Kindern gut erforscht ist, wurde das Phänomen bei Erwachsenen bisher nur selten untersucht. "Modelle der Verspieltheit im Kindesalter wurden oft auf Erwachsene übertragen. Dadurch gehen aber viele Aspekte verloren, zum Beispiel solche, die sich auf romantische Beziehungen oder intellektuelle Leistungen beziehen", sagt PD Dr. René Proyer vom Institut für Psychologie an der MLU. Verspielte Menschen könnten zum Beispiel Situationen aus ihrem Leben so umdeuten, sodass sie diese als unterhaltsam erleben oder sich das Stresslevel reduziert.

In mehreren Studien und Befragungen mit rund 3.000 Teilnehmer_innen ging Proyer dem Phänomen bei Erwachsenen weiter auf den Grund. Dabei zeigte sich, dass Verspieltheit nicht zu den fünf großen Persönlichkeitsmerkmalen wie Extraversion, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit, Offenheit und emotionale Stabilität zählt, sondern eine eigenständige Komponente darstellt. Zwar habe sie Anteile dieser fünf globalen Dimensionen, aber sei nicht mit ihnen austauschbar, erklärt der Wissenschaftler. Er fand außerdem heraus, dass Menschen, die sich selbst als verspielt beschreiben, auch von anderen so eingeschätzt werden. Und: Verspielte Menschen leben ihre Neigung auch in vielen alltäglichen Situationen aus.

Vier Grundtypen von verspielten Erwachsenen fand Proyer: "Es gibt Menschen, die gern mit Freunden und Bekannten herumalbern. Das beschreiben wir mit der auf andere ausgerichteten Verspieltheit. Leichtherzig verspielte Menschen dagegen sehen ihr ganzes Leben eher als Spiel", so Proyer. Eine weitere Gruppe seien die Menschen, die gerne mit Ideen und Gedanken spielen - beschrieben als intellektuelle Verspieltheit. Solche Typen könnten auch eintönige Aufgaben für sich interessant gestalten. Die letzte Gruppe seien sogenannte extravagant Verspielte: "Menschen mit dieser Tendenz interessieren sich für seltsame und groteske Dinge und können sich an kleinen Beobachtungen im Alltag amüsieren."

Die Studien zeigen, dass Verspieltheit sich bei Erwachsenen ganz unterschiedlich ausdrückt und durchaus positiv bewertet werden sollte. Gerade im deutschen Sprachraum sei sie aber eher negativ besetzt: Verspielte Menschen würden oft nicht ernst genommen oder als unzuverlässig eingeschätzt. Zu Unrecht, wie Proyer sagt: "Wenn es etwa um das Lösen komplexer Problemstellungen geht, können sie leicht die Perspektive wechseln. Dadurch finden sie ungewöhnliche und neue Lösungen."

Die aktuelle Studie gebe auch Anreize für weitere Forschungsbereiche, wie der Evolutionspsychologie: Zwar hat Verspieltheit keinen direkten Überlebensvorteil, könnte aber bei der Partnerwahl und in Liebesbeziehungen eine wichtige Rolle spielen. Mit diesem Thema werden sich die halleschen Psychologen in den kommenden Monaten beschäftigen.

Quelle:

Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 5. Januar 2017