Nicht von Natur aus harmoniebedürftig

Studie: Vorliebe für akkustische Harmonien ist kulturell geprägt

Mädchen hört Musik über Kopfhörer

Es gibt Musik, die schmerzt uns in den Ohren. Andere hingegen empfinden wir als wohlklingend. Auf der Tonebene erscheint uns etwa ein Akkord aus C und G als harmonisch, die Kombination aus C und F# als disharmonisch. Geht das aber allen Menschen so? Oder ist das unser kulturell geprägter westlicher Musikstil, der uns geprägt hat? Dieser Frage sind Forscher_innen des renommierten Massachusetts Institute of Technology und der Brandeis University in einer Studie nachgegangen.

Jahrhunderte lang rätselten Wissenschaftler_innen, ob die Vorliebe für harmonische Klänge angeboren ist, eine Art Naturgesetz, das für alle Menschen gleichermaßen Gültigkeit und sich aus den harmonischen Klängen der Natur herausgebildet hat. Oder ob die Vorliebe für derartige Harmonien kulturell bedingt sein könnte. Um das zu überprüfen, standen die Wissenschaftler_innen der aktuellen Studie vor der Schwierigkeit, Menschen zu finden, die noch keinen Kontakt zu westlich geprägter Musik gehabt hatten. Denn nur solche könnten darüber Auskunft geben, ob die Freude an der Harmonie auch unabhängig von der kulturellen (westlichen) Prägung vorhanden ist.

Der Antroposoph Godoy, der über Stämme im Amazonas forschte, hatte da einen passenden Kontakt zu dem Stamm der Tsimane, die - weil sie teilweise  recht abgeschieden und entfernt von Städten und Siedlungen leben - noch keinen oder kaum nennenswerten Kontakt zu westlich geprägter Musik hatten.

Ihnen spielten die Wissenschaftler_innen nun verschiedene Tonbeispiele vor und ließen sie bewerten, wie ihnen die harmonischen und disharmonischen Akkorde jeweils gefielen. Die Befragten konnten durchaus beschreiben, was der Unterschied zwischen beiden Tonkombinationen war, aber sie hatten keine besondere Abneigung gegen disharmonische Töne.

Zum Vergleich wurden dieselben Tonbeispiele auch einer Gruppe in der Nähe lebender spanischsprechender Bolivianer vorgespielt sowie Bolivianerinnen, die in der Hauptstadt lebten. Außerdem wurden dem Test auch amerikanische Musikerinnen und Nicht-Musiker unterzogen. Für alle fünf Gruppen kamen extrem unterschiedliche Ergebnisse heraus. In der Beurteilung nicht-musikalischer Geräusche wie Lachen waren sich alle Gruppen recht ähnlich. Aber in der Vorliebe für Harmonien waren sie sehr uneins. Während die Tsimane keine Präferenz für Harmonien zeigten, war sie bei amerikansischen Musikern sehr ausgeprägt. Bei den in der Nähe der Tsimanen lebenden Bolivianer_innen war sie zwar vorhanden, aber eher gering. Je stärker die Berührungspunkte mit westlicher Musik im Lebensstil waren, desto stärker war das Bedürfnis nach musikalischen Harmonien.

Angesichts dieser Ergebnisse sind die Forscher_innen überzeugt, dass unser Harmoniebedürfnis in erster Linie kulturell geprägt ist und nicht "von Natur aus" vorhanden ist.

Die Ergebnisse der Stduie werden im Fachmagazin Nature veröffentlicht.

Quelle:

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Autorin / Autor: Redaktion / Pressemitteilung - Stand: 15. Juli 2016