Sex und Gewalt in deutschen Rap-Texten

Bundesprüfstelle lud Mädchen zur Diskussion ein

Sie nennen sich „King Orgasmus“, „Frauenarzt“, „Fler“, „Sido“ oder „Bushido“. Sie stammen aus einem Milieu, in dem es vermehrt zu Gewalt gegen Frauen kommt. Und so singen die selbst ernannten Gangsta-Rapper von Mädchen vorweg als „Huren“, „Schlampen“ oder „Nutten“. Wenn es nach einigen dieser Songs ginge, sollten Mädchen kochen, putzen und zum Sex zur Verfügung stehen - eine Kampfansage gegen emanzipierte Mädchen. Entsprechend heißen die Platten "Ansage Nr. 1-4". Damit sind die Skandal-Rapper vor allem bei Kindern und Jugendlichen erfolgreich. Dass die Texte die minderjährigen HörerInnen möglicherweise weitreichend beeinflussen könnten, das stört die Künstler kaum. Sänger Sido ging in seinem "A...song" sogar noch weiter: Hier besingt der 24-Jährige ein brutales Vergewaltigungsszenario. Detailliert schildert er, wie er eine 13-Jährige missbraucht. Jedoch sei hier erwähnt, dass der HipHopper in Interviews betont, er sei selbst 13 Jahre alt gewesen, als er die Geschichte erlebte, und es habe sich auch nicht um eine Vergewaltigung gehandelt.

Im Visier der Bundesprüfstelle

Trotzdem: So wenig Verantwortungsgefühl und so viel Tabubruch ruft die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) auf den Plan. Zahlreiche Indizierungsverfahren wurden aufgenommen, die meisten davon mit Erfolg. Und eine gesellschaftliche Diskussion ist in Gang gekommen. Eine wichtige Frage ist dabei: Wie kommen die Gewalt verherrlichenden Texte bei Jugendlichen an? Und wie denken junge Mädchen über den Sexismus im deutschen HipHop? Um das zu erfahren, lud die BPjM Mädchen zur Diskussionsrunde ein.

Meinungen von Mädchen

Die meisten Teilnehmerinnen sprachen sich in der Anfangs-Runde gegen die Songs der Skandal-Rapper aus. Die Passagen, die frauenverachtend sind, gingen den Mädchen eindeutig zu weit. Aber es gab auch Unterstützung für die Rapper. Die 15-jährige Manuela meint: „Ich finde die meisten Songs eigentlich ganz gut.“ Sie glaubt, dass in den Liedern überwiegend solche Mädchen beschrieben würden, die sich den HipHoppern zum schnellen Sex anbieten. Die Schülerin ist der Meinung: „Wenn man sich so verhält, dann muss man sich nicht wundern, wenn man als Bitch bezeichnet wird.“ Ähnlich denkt auch die gleichaltrige Caroline. Sie glaubt, viele Mädchen seien selbst dafür verantwortlich, wenn sie sich so schlecht behandeln ließen. Selbstbewusst erklärt sie: „Wenn mir mein Freund erzählen würde, ich hätte für ihn zu kochen und danach zum Sex bereitzustehen, würde ich den sofort rauswerfen!“ Veronika (15) findet, dass sich selbstbewusste Mädchen von den Texten nicht angesprochen fühlen sollten. Anjuli (19) dagegen ist wütend. Sie meint, dass die Gesellschaft solche Songs nicht tolerieren dürfe. Schließlich würden die Rapper die sexistischen Äußerungen in der Öffentlichkeit kundtun. Ute Kortländer, Referentin bei der BPjM, macht klar: "Es ist ein Unterschied, ob man das als Privatperson oder vor einem Massenpublikum sagt."

Werden Jungs aufgehetzt?

Da erklärt BPjM-Vorsitzende Elke Monssen-Engberding, dass die Bundesprüfstelle mehr Verantwortung von den Künstlern fordere. Denn die Frage ist, wie solche Texte auf Jungs wirken. Michaela und Caroline glauben, dass die Songs nicht so gemeint seien und sowohl Jungen als auch Mädchen das genau wüssten. „Das wird übertrieben dargestellt“, so Michaela. Aber ist das auch jedem klar? Pädagogen, wie der Ex-Rapper Hannes Loh, beobachten auf deutschen Schulhöfen, dass Mädchen immer häufiger von Jungs beschimpft würden. Und, so meint BPjM-Referentin Martina Hannak-Mayer, "Wir müssen immer vom Blickwinkel des schwächsten Glieds in der Gesellschaft ausgehen." Damit meint sie vor allem Kinder aus bildungsfernen Schichten, die in einem sozial instabilen Milieu groß werden. Ein Milieu, aus dem die meisten Rapper selbst stammen. Und in das sie sicherlich nicht zurück wollen.

Verteidigungsargumente von Rappern

Indizierung bedeutet für den betroffenen Künstler immer auch Umsatzeinbußen. Darum wehren sich viele Betroffene meist mit Rechtsbeistand. In den Erklärungen der Anwälte und Künstler heiße es oft, so Kortländer, „Nutte“ sei kein Schimpfwort sondern eine geschlechtsneutrale Bezeichnung, die die Rapper sogar untereinander verwendeten. So sagte Patrick Decker alias „Fler“ in der BRAVO 25/2005 „Das ist Slang und bedeutet einfach nur ‚du dumme Frau’.“ Ein weiteres Argument, das der Anwalt von „Bushido“ vor der BPjM verwendete, so Kortländer: Dem Künstler würden sich viele weibliche Groupies genauso anbieten, wie er es in seinen Texten beschreibe. Und: Nur über die positiven Seiten des Lebens zu singen, auch das sei für Jugendliche schädlich.

Aber auch Liebeslieder im Repertoire...

Dabei gilt "Bushido" als der harmloseste Vertreter unter den Gangsta-Rappern. Er hat auch die Schnulze "Schmetterling" gesungen: ein harmloses Liebeslied, irgendwo zwischen Babyblümchenwelt und rosaroter Brille. Aber wer glaubt ihm das? Anjuli jedenfalls nicht. Allerdings, räumt sie ein, glaube sie den Rappern auch den Frauenhass nicht so ganz: „Da steckt doch Profitgier dahinter. Sonst nichts.“

Und was glaubst du?

Wenn du deine Meinung zum Thema loswerden willst, dann schreib sie an die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien und an die LizzyNet-Redaktion

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Autorin / Autor: Tina Groll / Laura Sevenich - Stand: 6. September 2005